Vier Jahre Miszellen – ein Rückblick, viele Links


Im Juni 2006 begann ich mein Blog. Und im Juni 2007. Und im Januar 2009. Mittlerweile haben die Miszellen mehr Neuanfänge hinter sich als die schwarz-gelbe Koalition. Ich habe dann irgedwann darauf verzichtet, auf die offensichtlichen Brüche hinzuweisen. Miszellen-Leserinnen und -Leser, die schon etwas dabei sind wissen, dass das meist mit meinem etwas angegriffenen Gesundheitszustand zu tun hat.
Das Jubiläum des Blogs und meine immer noch nicht verstorbene Hoffnung, dass es via Paperblog dann doch etwas weniger obskur wird, haben mich dazu bewogen, noch einmal durch alle 320 bisher erschienenen Miszellen zu gehen. Im Folgenden also die Höhepunkte aus vier Jahren „Meine Miszellen“. Die Auswahl ist rein subjektiv, vage chronologisch und in keinem Falle vollständig. Wenn ihr Lieblings-Miszellen habt, schreibt doch einen Kommentar.

Die erste Miszelle, die ich erwähnen möchte ist „Horde„. Ich habe „ein bisschen“ übertrieben, was die Größe der Familie meiner Frau angeht. Aber der Grund, warum ich diese Miszelle hier anführe ist nicht, dass ich beim Wiederlesen ein wenig knicheln musste. Sie erinnerte mich an einen sehr lieben Menschen, der heute nicht mehr unter uns weilt. Für mich ist die Miszelle also eher bitter-süß.

Mein Pseudonym „Skeltem“ erkläre ich in der gleichnamigen Miszelle. Sie zeigt außerdem, wes Geistes (Spiel)Kind ich bin. Und dass ich aus einer Zeit stamme, da man Rollenspiele noch ohne Headsets spielte und „Raids“ Monster der siebten Stufe waren. In der Serie „22 Jahre Rollenspiel“ halte ich einen persönlichen Rückblick auf die Zeit, als man am Tisch saß, Chips aß und jede Menge Plastikartikel rollte, die lächerlicherweise „Würfel“ genannt wurden.

Bei „Agenten“ konnte ich mir so gut Anke Engelke und Christoph Maria Herbst in den Rollen von „Neo“ und „Trinity“ vorstellen. Auf die Pointe bin ich immer noch stolz, auch wenn da wenig Rückmeldung kam. Vor allem nicht von Anke 😦 Die hatte dann aber einen eigenen „Matrix“-Sketch. Meinen finde ich besser 8)

Die Miszelle „N-Wort“ (guckt, wie ich sie nicht verlinke!) ist die meistgelesene dieses Blogs. Leider. Weil dort das Wort „Nigga“ genannt wird. Jetzt landet jeder Rassist und Möchtegern-Hiphop-Gangsta bei dieser Miszelle. Umpf! Lobend erwähnen will ich aber „Unwort„, in der ich damals schon einen Blick ins Jahr 2010 warf. Der hat  sich  zum Glück als reines Hirngespinst herausgestellt. Bundeskanzler Koch? Ha!

Meine tragische Veranlagung zur Prokrastination thematisierte ich erstmal in der nämlichen Miszelle. Eigentlich wollte ich noch etwas dazu schreiben, aber es kam immer etwas dazwischen. Erst ein paar Jahre später hatte ich dann Zeit. Nach dem Motto: „Morgen, morgen, nur nicht heute„.

Engel lässt ein wenig heraus von meinem, leider nicht ausgeübten, Beruf als Ethnologe und Religionswissenschaftler. Später ist das Blog voll davon. Hey, wenn ich populär werden wollte, würde ich ein Blog mit viel Rosa, großen Bildern, wenig Text und voller uninteressanter Menschen schreiben.

Konfusion oder der Mann, der seine Frau mit einer Spülmaschine verwechselt“ gibt einen Einblick, wie man als implantierter Mensch „hört“. Ich habe meiner Gehörlosigkeit eine eigene Rubrik eingeräumt. Eine heraus ragende Miszelle daraus ist vielleicht noch „Langsam und deutlich„.

Ich möchte auch die „Supermarkt-Trilogie“ hervorheben, die mit  „Alberich“ albern begann, deren Höhepunkt sicher die „Lady Letta und Klaus Katastrophe“ war und die mit „Mehr Brutto im Minus “ einen eher traurigen Abschluss fand.

Ich gebe auch immer gerne Kommentare zu aktuellen Medientrends. Zum Beispiel Kochsendungen. Oder Gaga-Radio. Oder Jungautorinnen. Oder Nekrophilie.

Wie schon erwähnt, ist Religion nicht nur ein Steckenpferd von mir. Dass ich dem Phänomen durchaus kritisch gegenüber stehe, hat sich bei mir schon ganz früh gezeigt.  In den Miszellen habe ich das Projekt „Glaube und Religion„, eine Reihe von Miszellen, die sich mit eben diesen Themen auseinander setzen. Es ist noch nicht abgeschlossen, aber in diesem Jahr habe ich ganz ganz andere Probleme. Dass Religion oft auch lächerlich sein kann und aus anderen Quellen gespeist als vom Heiligen Geist, vermute ich hier. 😉

Und noch ein paar „honourable mention“: Meine Sicht auf die Fabel von der „Ameise und der Heuschrecke„. Skeltem geht unter die „Looser„. Und kommt auf eine viel genialere Idee, die Öffentlich-Rechtlichen zu retten, als durch eine Pauschalgebühr: Die nackte Carmen Nebel!

Viel Spaß mit meinen Miszellen 😉

Skeltem

Die Sache mit dem Müll


Das Unheil begann, als der Pizza-Mann auszog.
Das muss ich Ihnen erklären. In unserem Haus in der Coburger Innenstadt sind wir sechs Mietparteien. Es gibt drei kleinere Wohnungen und drei größere. Für die Mieter gibt es drei Mülltonnen: eine schwarze für den Restmüll, ein grüne Papiertonne und eine gelbe für Verpackungen und Zeug. Grüner Punkt-Kram. Die schwarze Tonne wird alle zwei Wochen abgeholt, die anderen einmal im Monat.
Der Pizza-Mann lebte in einer der größeren Wohnungen. Der größten, um genau zu sein. Allein. Ich nenne ihn so, weil er nichts anderes aß als Pizza, die er sich abends von der Arbeit mitbrachte. Müll-technisch war der ständig volle grüne Eimer zwar ärgerlich, aber na ja. Wenn die Tonne voll ist, wandert das Papier halt in die schwarze. Too bad. Die drei kleineren Wohnungen nenne ich die „Töchter-Träume“. Da wohnen nämlich seit wir hier sind junge Frauen, die gerade von der Schule abgegangen zu sein scheinen. Vermutlich studieren sie an der Fachhochschule hier oder machen eine Sparkassen-Ausbildung. Denn die Töchter rotieren ziemlich schnell. Was die Töchter gemeinsam haben ist, dass sie nicht oft zu Hause sind. Wo sie stecken geht mich nichts an, aber das macht sie auch recht Müll-neutral.
Da bleiben zwei Mietparteien, die wirklich Müll produzieren. Das einzige Problem in der Vergangenheit war, dass ich manchmal den Termin zum Rausstellen verpasste und wir dem Müllauto durch die ganze Stadt nachlaufen mussten. Paradiesische Zeiten.
Dann ging der Pizza-Mann weg. An seiner Stelle zog eine kleine Familie ein. Die Situation wurde angespannt. Der Müll war jetzt immer gut voll. Dafür gab es an der Papiertonne etwas Entspannung. Aber die Wirtschaftskrise traf uns hinterhältig da, wo es am meisten weh tut: an der Mülltonne. Plötzlich mussten alle sparen und die Mütter der Töchter legten diesen wohl nahe, dass sie ihre Brut nicht weiter durchzufüttern gedenken und dass sie gefälligst selber kochen sollen. Weh uns! Das war der Zeitpunkt, an dem die Mülleimer nicht mehr schlossen, wenn ich sie weg brachte. Das war schon ziemlich eklig, besonders im Sommer. Und es wurde immer schlimmer.
Mittlerweile ist der schwarze Eimer eine Woche vor dem Abholen so voll, dass er sich nicht mehr schließen lässt. Das Papier und das gelbe Zeug können wir drei Wochen mit Hilfe von Stampfern komprimieren, aber die Tonnen zeigen langsam ein wenig Materialermüdung, was mir Sorgen macht. Generell ist eine Woche vor der Abholung Kreativität angesagt.
Das Papier ist am einfachsten. Unsere gelesenen Tageszeitungen verteile ich großzügig in der Stadt. Arztpraxen, Behörden und Obdachlose sind dankbar für kostenloses Lesematerial. Die Umverpackungen gehen zurück in die Supermärkte. Allerdings quellen dort die entsprechenden Behälter auch langsam über. Aber das ist zum Glück nicht mein Problem.
Der „gelbe Müll“ ist schwieriger. Ein Vorteil ist, dass das Zeug leicht ist. Ich gebe es ungerne zu, aber so mancher Beutel landet „zufällig“ auf der anderen Seite einer Mauer. Einmal war mir nicht bewusst, dass dort ein Biergarten ist, was ziemlich peinlich war. Der Wirt hat mir dann seinen Müll auch noch mitgegeben. Ich habe mich so geschämt, dass ich nicht protestierte. Seit diesem Vorfall sind wir dazu übergegangen, das ganze Plastikzeug einzuschmelzen. Als ich wegen meiner Lungen beim Arzt war, habe ich ihm gleich einen Jahrgang „National Geographic“ (kaum gebraucht) da gelassen.
Der Hausmüll ist schwer. Zuerst haben wir versucht, das Ganze als Herausforderung an unsere Kreativität zu sehen. Wir haben Kartoffelschalen ausgekocht, um Leim zu gewinnen. Denn haben wir dann mit Altpapier (!) zu Pappmaché verarbeitet und Skulpturen geformt, die wir wiederum mit gelbem Müll füllten. Allerdings hat uns die keiner abgekauft, auch nicht für 50 Cent. Mehr wollten wir uns das nicht kosten lassen. Die Flohmarktaufsicht war dann sehr tolerant, als sie uns dabei erwischte, wie wir das Zeug einfach stehen lassen wollten. Wir mussten nur einen alten Fernseher mit nach Hause nehmen. Im übrigen eignen sich Kaffeesatz und Eierschalen tatsächlich als Pflanzendünger. So gut, dass mittlerweile die abgefallenen Blätter von Lapis‘ Ficus fast die Hälfte unseres organischen Abfalls ausmachen. Wenigstens hat unsere Katze Spaß. Glaube ich. Wenn sie wieder runter kommt.
Wir haben es dann mit unserer eigenen Müllverbrennungsanlage versucht, aber das Grillgut hat immer so komisch geschmeckt.
Na ja, und dann sind wir halt auf die Idee mit dem Zwischenlager gekommen. Macht die Atomindustrie doch auch so. Kein Schwanz weiß, wo der Strahledreck letztendlich hin soll, aber es ist ja nun mal da. Also wohin? Na ja, und da Gorleben so weit weg ist und die unseren Müll da eh nicht wollen, haben wir gedacht …
Ach was. Ich bin fest davon überzeugt, dass der Sandkasten völlig sicher ist.

Der Wolfff und die Sieben Geißeln II


Zum ersten Teil

Die Schatzkoffer des Königreiches waren allerdings nicht bodenlos und so stellte Schatzmeister Schaubier bald fest, dass beim nächsten Besuch des Monsters nicht genug Gold vorhanden wäre, alle Häuser wieder aufzubauen. Und das Monster war schon wieder gesichtet worden. Im Süden bei einem Nachbarland, wo stets die Sonne schien und die Menschen nicht so fleißig arbeiteten wie in Angies Königreich. Es drohte, das ganze Land aufzufressen und jeder war besorgt, was dann geschehe.

Angie und der Kronrat berieten sich. Sie stritten sich. Es kam zu Handgreiflichkeiten. Guy erlitt einen Nervenzusammenbruch, als Schaubier vorschlug, die Schulden des Königreichs im Süden zu übernehmen. Horst jagte Zuschi durch den Garten. Philip grub sich ein Loch und beschloss, Wurzeln zu schlagen und Graf von und zu Rumpelstilzchen stampfte mit den Füßen auf, bis der Boden unter ihm nachgab. Nur Rainer war nirgendwo aufzufinden. Da sprach Angie ein Machtwort: „Machen wir es halt so, wie Schaubier gesagt hat. Was Besseres fällt mir auch nicht ein. Oder?“ Dann verdaute sie geräuschvoll.

Am Ende kam der Rat auf die geniale Idee, das Monster einfach nicht über die Grenze zu lassen, wenn es kam. Zuschi, die Kleinste, hatte den rettenden Einfall: „Wenn das Monster kommt, verstecken wir uns einfach. Dann glaubt es, niemand ist zu Hause und geht zu einem anderen Königreich.“ Die Freude war groß im Königreich und Zuschi der Hase des Tages.

Aber das Ende nahte unaufhaltsam. Es begann, als der König sein Heer besuchte. Graf von und zu Rumpelstilzchen hatte kurz vorher entdeckt, dass es tatsächlich Gold kostete, ein Heer zu unterhalten. Nun dachte er darüber nach, wie man es so klein machen konnte, dass es zu den leeren Schatzkammern passen würde. Die Soldaten wandten sich besorgt an den König und fragten ihn, ob sie wohl noch gebraucht würden. Vor allem, da man ja jetzt beschlossen hatte, alle Gefahren einfach zu ignorieren statt gegen sie vorzugehen. Der König, der ein Köhler war, dachte ein wenig nach und sagte dann: „Um Kohle zu machen, braucht man ein Feuer.“

Zeugen aber hatten verstanden: „Für Kohle“, also Gold, „auf alles feuern.“ Das empörte die Indianer und die grünen Kobolde über alle Maßen und Tritt-Ihn!, der Koboldchef regte sich ohne Ende über den Kriegskönig auf. Der wiederum hatte bloß eine ruhige Kugel schieben wollen. Das wurde ihm jetzt alles zu viel und er dankte dankend ab.

Plötzlich war das Land ohne König. Das durfte nicht sein. Angie wurde damit beauftragt, einen neuen König zu besorgen, der dann vom Ständerat bestätigt werden musste. Angie sah sich nachdenklich unter den Sieben Geißeln um. Sah Zuschi, die immer noch die populärste unter ihnen war, aufgeregt auf und ab hüpfen. Sie schloss die Augen einen Moment. Öffnete sie wieder. Sah Zuschi an, die schon einmal versuchte, so königlich wie möglich zu gucken. Und sagte: „Wolfff!“

Der Wolfff war ein ziemlich langweiliger Wolf, der sich mit drei ‚f“ schrieb, um wenigstens etwas Herausragendes zu besitzen. Er war ein Weggefährte von Angie und ihr treu ergeben. Bis zu dessen Ausscheiden aus dem Kronrat war er der erklärte Feind von Getöntes Haupthaar gewesen, was dieser aber kaum registrierte. Man übersah den Wolfff leicht.

Plötzlich hatte er endlich die ersehnte Chance, dass jeder im Königreich von ihm erfuhr. Und nicht nur das. Er sollte herrschen! Irgendwie. Und so. Na ja, gut aussehen und Angie nicht widersprechen, aber das ging schon klar.

Aber die Indianer und die Kobolde sahen ihre Chance, Angie eins auszuwischen und stellten ihren eigenen Kandidaten für das Königsamt auf, den Gockel Jo.

Jo war ein Kriegsheld und weithin beliebt im Volk und auch bei den Adeligen aller Parteien. Den Wolfff kannten hingegen alle nur als Angies Kreatur. Wenn sie überhaupt wussten, dass es ihn gab. In den folgenden Wochen gockelte Jo landauf und landab vor den Wahlmännern aller Parteien und machte so einen guten Eindruck, dass selbst die Gurken ihn wählen wollten und nicht wenige von Angies eigenen Leuten. Die wurde immer mürrischer und Befahl ihren Parteigängern schlicht, den Wolfff zu wählen, sonst würde es was setzen und basta. Guy erklärte seinen Gurken, dass sie die Steuern nur senken könnten, wenn sie den Wolfff wählten. Warum das so sei, wusste allerdings niemand. Auch Guy wohl nicht.

Der Wolfff selbst blieb weitgehend unsichtbar. Oder nicht, aber ich erinnere mich wirklich nicht daran, ihn in den Wochen vor der Königskür gesehen zu haben.

Es kam, wie es kommen musste. Am Mittsommertag trafen sich die Edlen und weniger Edlen des Landes, um darüber abzustimmen, wer ihr König sein sollte. Im ersten Wahlgang scheiterte der Wolfff, weil er keine absolute Mehrheit der Stimmen bekam. Und im zweiten. Und im Dritten. Im vierten Wahlgang, als Angie schon Anfälle von BSE vortäuschte, um Sympathie zu erwecken endlich die erlösende Mehrheit. Für Jo.

Das Gelächter der Indianer und Kobolde hallte hämisch durch den Palast und der Häuptling Dicke Wampe hielt sich eben diese. Tritt-Ihn! und Kühn, Ast., die Anführer der Kobolde mussten sich aneinander lehnen um nicht umzufallen.

Da stand Angie auf, trat Guy „versehentlich“ zu Püree und verschwand wortlos und leise pupsend zu grüneren Weiden. Dicke Wampe übernahm das Regierungsgeschäft zusammen mit den Kobolden. Der Wolfff verschwand da, wo er hergekommen war, auch wenn niemand wirklich wusste, wo das war. Die Sieben Geißeln verließen zeternd und streitend das Schloss und man sagt, Graf von und zu Rumpelstilzchen habe sich noch am gleichen Abend an Wildschweinbraten gelabt. Nur Zuschi musste eine Woche später völlig entkräftet zum Heiler gebracht werden. Sie hatte sich hinter einem Schrank versteckt.

Tja, das war die Geschichte vom Wolfff und den Sieben Geißeln. Geben Sie mit jetzt den Heller, den Sie mir versprochen haben? Seit das Monster unser Haus zerstört und die Bank all unser Vieh genommen hat, konnte ich meiner Familie nicht mal mehr jeden Tag Brot kaufen. Besonders seit ich krank wurde. He? He? Was heißt „Sozialschmarotzer“?! Kommen Sie mal mit 200 Talern im Monat aus. Arschloch.

Der Wolfff und die Sieben Geißeln I


Es war einmal …

… ein reiches Land, dessen König Köhler war. Der Köhler hatte sich zum König machen lassen, weil seine ursprüngliche Arbeit zu anstrengend wurde, man streng nach Kohle riecht und er auch nicht mehr der Jüngste war. Dazu kam, dass die Könige des reichen Landes kaum mehr tun mussten, als ab und an in ihren Staatskarossen auszufahren und dem Volk zuzuwinken. Oder sie besuchten andere Könige, vornehmlich in warmen Ländern, oder ließen sich besuchen. Und das Essen war exzellent.

Regiert wurde das Land vom Kronrat, dem ein Kanzler vorstand. Oder, wie zur Zeit unserer kleinen Geschichte, eine Kanzlerin. Die Kanzlerin war eine Kuh namens Angie und eigentlich war das Volk des reichen Landes froh, dass es sie hatte. Sie sagte nicht viel, sah aber immer sehr Vertrauen erweckend aus, wie sie wiederkäuend im Kronrat saß und Stunden und Stunden das Geschwätz ihrer Minister anhörte und manchmal aufstieß. Angie vermittelte dem Volk das Gefühl, dass es ja alles nicht so schlimm sei.

Als Angie gewählt wurde musste sie zusammen mit Indianern vom Stamm der So-Zi regieren. Deren Häuptling Silberlocke war eine langweilige, aber grundsolide Rothaut. Sein Vorgänger „Getöntes Haupthaar“ konnte nicht so mit der temperamentlosen Kuh. Aber Angie und Silberlocke bewältigten zusammen die größten Krisen. Das Problem war, dass das Volk immer nur sah, dass Angie die Probleme löste, während Silberlocke und die So-Zi sich kaum profilieren konnten. Profil zu besitzen wäre dabei natürlich auch von Vorteil gewesen.

Dazu kommt, dass ein anderer Indianerstamm, die So-Li, den So-Zi die Gunst des Volkes streitig machte. Deren Häuptlinge „Kleiner Kaiser“ und „Kleiner Anwalt“ lösten zwar keine Probleme, hatten aber enorm viel Profil.

Also nahm das Verhängnis seinen Lauf und die So-Zi mussten den Kronrat verlassen. Dafür zogen jetzt andere ein, nämlich ein Gruppe intelligenter, gelber Gurken*. Angie hätte vielleicht lieber weiter mit Silberlocke regiert, sagte aber artig „Muh“, als die Gurken einzogen und ihre Minister freuten sich einen Ast, weil die Indianer manchmal so befremdliche Ideen hatten. Und, ehrlich gesagt, „die sind einfach nicht wie wir“.

Der Chef der Gurken war ein warmes Gemüsegericht namens Guy, das gut roch, aber leider über einen beschränkten Wortschatz verfügte. Er unterhielt das Volk seit Jahren damit, dass er einen Satz („Die Steuern müssen runter!“) immer und immer wieder aufsagte. Trotzdem brachen immer noch Menschen in spontanen Applaus aus, denn wer war nicht für niedrige Steuern?

Seine Minister waren Philip, der Spitzkohl (adoptierte Gurke) und eine schon etwas angegammelte Salatgurke namens ‚Rainer‘.

Ihnen gegenüber saßen Horst, die Wildsau, Graf von und zu Rumpelstilzchen, der Schatzmeister Schaubier und die Häsin Zuschi. Man hätte auch sieben Hunde und Katzen in einen kleinen Karton sperren können und weniger Gekeife und Streiterei bekommen.

Dabei begann die Regierungszeit des neuen Kronrates so harmonisch. Er beschloss, dass die Gastwirte des Königreiches zu viel Steuern bezahlten und senkten diese fürderhin. Guy gluckste vergnügt „Steuern runter, Steuern runter“ und man wusste nicht, ob er wegen des neuen Gesetzes so glücklich war oder wegen des Beutels mit Gold, den ihm der Wirt Mövenpickel gerade in die Hand gedrückt hatte.

Dann aber begann auch schon der Verfall. Vor allem wegen der Steuern hatten sich Horst, die Wildsau und Guy die Gurke ständig in den Borsten, beziehungsweise gingen sich auf die Schale. Dabei waren sie sich im Grunde einig. Nur über den Details fochten sie verbissen. Offener Krieg brach im Rat aus als Spitzkohl Philip, der für die Volksgesundheit zuständig war, vermeldete, dass das Gold des Landes im nächsten Jahr kaum mehr für die Kranken reichen würde und deshalb jeder Bürger ein wenig mehr zahlen müsse. Er vermied das Wort „Steuern“. Horst quieckte entsetzt auf und schrie etwas von „Steuererhöhungen“ und „Nicht mit mir!“ und lief ein bisschen Amok. Beim Wort „Steuererhöhungen“ erlitt Guy kurzzeitig braune Stellen. Der Rest des Kronrates ging in Deckung, während Angie nur brummte: „Das hätte ich so jetzt nicht gesagt. Muh. Denke ich mal. Oder doch?“

Bald nannte das ganze Land den Thronrat die „Sieben Geißeln“ und viele Menschen begannen, an der Weisheit der obersten Landeskuh zu zweifeln.

Denn es trug sich zu, dass zu nämlicher Zeit ein riesiges Monster umging, das alle Länder heimsuchte. Viele Menschen mussten leiden und es zerstörte nicht wenige Häuser und trieb deren Bewohner ins Elend und in die Armut. Angie und Silberlocke hatten es beim letzten Besuch besiegt, indem sie einfach den obdachlos gewordenen Menschen neue Häuser bauten. Das Monster verlor dadurch viel von seinem Schrecken und zog bald enttäuscht ab. Es lebte nämlich davon, dass es den verängstigten Menschen ihre Besitztümer zu einem lächerlichen Preis abkaufte und später teuer wieder verkaufte.

Geht weiter …

* Ich vermute, dass sie in Wirklichkeit Zucchini sind. Aber bin ich  Märchenonkel oder Botaniker?

11.6.2010: Paperblog


Hallo Alle.

Wenn ihr da rechts einen Button seht, dann heißt das, dass ich meine Seele für Ruhm, Ehre, schnellen Sex und harte Drogen an ein großes Medienimperium verkauft habe.

Just kidding.

Jemand ist auf die Miszellen aufmerksam geworden und fand sie gut genug für ein Blog-Portal. Das Portal heißt Paperblog und ich versuche immer noch herauszukriegen, ob das ironisch gemeint ist oder ob sie tatsächlich Blogs drucken wollen.

Zuerst habe ich mch geziert, weil in den AGB so komische Sachen stehen wie „Blut meines Erstgeborenen“ und „IA Cthulhu fthagn!“ Und was zum Teufel hat „der Herr der hundert Dunkelheiten“ mit einem Blog zu tun? Wahrscheinlich geht’s um ein WoW-Addon. Aber dann hat eine nette Dame namens Johanna meine Bedenken ausgeräumt und mir versichert, dass ich wirklich und in echt kein Geld dafür zahlen muss und meine Seele bis zu meinem Ableben mir gehört.

Da konnte ich kaum ‚Nein‘ sagen.

Ich rechne also jeden Augenblick damit, dass die Massen der von der Paperblog-Homepage angelockten Besucher die Miszellen stürmen und ich e-berühmt werde und Helene Hegemann und Lena Meyer-Landrut meine Kinder wollen. Nur über Lapis‘ Leiche natürlich.

Jeden Moment.

Geht gleich los.

Gleich…

Die Schande (Kommentar)


Hier noch einmal, worum es geht.

Kommentar:

Im Grunde genommen ist die Geschichte ziemlich banal. Mutmaßlich macht jedes Kind mit, dass es seinen Platz in einer Peer-Group finden muss. Wie die Hierarchien ausgehandelt werden kann variieren, aber gerade bei Jungs werden da wohl oft die Fäuste fliegen.
Trotzdem habe ich in der Einleitung nicht übertrieben. Die „Sache mit Murat“ beschäftigt mich seit über 30 Jahren. Und hat auch großen Einfluss auf meine Entwicklung gehabt. Die Schulhof-Banden (oder eben neutral „Peer Group“) sind die Grundform komplexerer sozialer Strukturen, die, ob uns das gefällt oder nicht, darauf beruhen, dass es Leute gibt, die „aufs Maul kriegen“ und eben solchen, die „aufs Maul geben“. Ich vermute, Josef Ackermann war als Kind in der letzteren Gruppe. Ich hatte mich den Schlägern letztlich entzogen. Und das obwohl ich ein „Täter“ war. Das machte mich, in der Logik des Schulhofs, zum „Opfer“. Aber für ein Opfer war ich dann doch zu stark (das änderte sich auf der Realschule, aber das ist eine andere Geschichte). Ich hing also irgendwo dazwischen. Voilá, die Geschichte meines Lebens.
Und ich hatte plötzlich große Probleme mit Autoritäten. Auf dem Schulhof und auch sonst. Das ist für fiktive Charakter charmant – einsamer Wolf und so – aber im echten Leben kann dir das ziemlich den Tag verderben. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, in welcher Reihenfolge die Murat-Geschichte und meine Weigerung, zur Erstkommunion zu gehen standen. Aber ich würde fast wetten, dass meine Schulhof-Schande zuerst kam.

Und als Schande habe ich das immer empfunden. Es war schlimm, dass ich einen Jungen verprügelt habe, mit dem mich eine lose Freundschaft verband. Rangeleien gab es auf dem Schulhof allerdings andauernd. Danach klopfte man sich ab, gab sich die Hand und lief los, um Mädchen zu ärgern. Schlimmer, war, dass Murat sich nicht gewehrt hat, weil er viel zu baff war, dass ich ihn angriff. Die Rauf-Etikette (Pöbeln, Schubsen, Ringen, Schluss) war verletzt worden und ich hatte ganz deutlich Murats Vertrauen verraten. Er dachte, ich sei auf seiner Seite. Und das Allerschlimmste war, dass ich das alles auf Weisung machte. Ohne zu fragen, ohne, soweit ich mich erinnern kann, zu zögern. Ich wollte „dabei sein“. Zu der Bande gehören. Und dafür habe ich etwas gemacht, das von meinem kindlichen Moralkodex schon so sehr abwich, dass sich mir danach vor Scham der Magen umdrehte.Die alte Einleitung mit der Nazi-Referenz war zu starker Tobak. Passend finde ich aber den Vergleich, dass ich damals auf dem Schulhof meine eigene und persönliche Welle erlebt habe.
Allerdings sind auch gute Dinge aus dem Üblen entstanden. Erst mal habe ich nie wieder ungefragt „Befehle“ ausgeführt. Auch wenn ich Eltern, Lehrern etc. auf die Nerven gegangen bin. Lapis nennt mich heute noch regelmäßig ‚bockig‘. Was für ein Glück, dass ich nicht zum Bund musste.
Und zweites weiß ich nicht, ob ich mich für die Hintergründe menschlichen Zusammenlebens derart interessiert hätte, dass ich sie später zu meinem Beruf gemacht habe, wenn ich nicht unbedingt hätte wissen wollen, warum es so wichtig ist, dazu zu gehören. So wichtig, dass wir andere verletzen.
Die umständliche Einleitung mit dem Hinweis darauf, dass wir ganz gut integriert waren zielt natürlich darauf zu zeigen, dass Murat auch Hans, Martin oder Peter hätte heißen können.

Die Schande (2. Teil)


Meine Schande begann damit, dass ein Junge eine Bande gründete, in die nicht automatisch jeder Junge aus der Klasse gehörte. Diese Bande war viel attraktiver. Sie überspannte die Klassengrenzen, ihre Mitglieder blieben unter sich auf dem Schulhof (wenn die Mitglieder der Jungsbande keine Lust mehr auf sie hatten, spielten sie einfach, mit wem sie wollten) und sie hatten Mitgliedsausweise! In der alten Bande war die Hierarchie eher fließend gewesen. Die neue Bande hatte einen Anführer und mehrere Sub-Anführer. Plötzlich wollte jeder dazu gehören. Aber die neue Bande ließ nicht jeden rein. Man musste eine Prüfung ablegen, bevor man seinen Ausweis bekam und dazu gehörte.
Eines Tages war es soweit. In einer großen Pause ging ich zu dem Anführer und wollte wissen, was ich tun musste, um dazu zu gehören. Der Junge sah sich auf der Schulhof um, deutete auf ein Kind und sagte: „Den musst du umhauen.“ Der Junge, auf den er zeigte hieß Murat. Ich kannte Murat. Wir hatten schon miteinander gespielt. Ich war bei seiner Familie ein- und ausgegangen.
Und trotzdem ging ich auf Murat zu, schubste ihn, dass er hinfiel. Er wehrte sich nicht, sondern starrte mich nur aus großen Augen an. Dann rang ich ihn zu Boden (Kunststück, wo er sich nicht wehrte), setzte mich auf seine Brust und schlug ihm so vor den Kopf, dass sein Hinterkopf auf den Beton knallte und er begann, laut zu heulen. Da erwachte ich. Unter mir der weinende Murat, um mich herum, die anfeuernden „Bandenmitglieder“. Ich weiß es nicht mehr genau, aber ich glaube, mir war schlecht. Die Scham drehte mir den Magen um. Ich entschuldigte mich pausenlos bei Murat, als ich ihm auf half. Ich redete die ganze Zeit auf ihn ein, aber soweit ich weiß, lief er einfach nur weg. Die Bande um mich johlte und machte es nur schlimmer. Ich glaube, für den Rest der Pause habe ich mich im Klo eingeschlossen.
In der Stunde, reichte der Anführer dann meinen Mitgliedsausweis rüber. Ich starrte fassungslos auf das kleine Stück, billigen Karton und dann auf den Jungen, der es mir hinhielt. Ich verachtete ihn nicht, aber ich verachtete und verabscheute mich selbst aber zutiefst. Und weil das eine wahre Geschichte ist habe ich ihm den „Ausweis“ nicht abgenommen und in 100 Fetzen zerrissen. Ich schüttelte einfach den Kopf und für den Rest ihrer zweimonatigen Lebenszeit ging ich der Bande aus dem Weg und sie mir. Murat hat mir nicht verziehen. Ich mir auch nicht.

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Ich schreibe noch etwas dazu. Soon(TM)

Die Schande (1. Teil)


Es gab in meiner Kindheit drei Ereignisse, die so prägend waren, dass sie mir bis heute in Erinnerung geblieben sind. Natürlich erinnere ich mich an eine Menge Zeug. Aber diese Ereignisse stechen heraus und haben eine großen Anteil daran, dass ich bin, wer ich bin. Das erste geht niemanden außer meiner Familie und mich etwas an. Das zweite war meine religiöse Emanzipation, als ich mich weigerte, zur Erstkommunion zu gehen. Was ich heute erzählen möchte ist einerseits zu persönlich für ein Blog (wie gut, dass kaum einer die Miszellen liest 😉 ), aber andererseits würde mich interessieren, was andere darüber denken.
Ich habe die Geschichte der besseren Lesbarkeit halber in zwei Teile aufgeteilt, die ich heute und am Sonntag veröffentliche. In der Woche darauf würde ich dann gerne noch eine „Diskussion“ schreiben. Deswegen lasse ich das eigentliche Geschehen von vor 30 Jahren unkommentiert.

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Ich wuchs auf in einer kleinen Stadt am Rande des Ruhrgebiets. In einer Arbeitergegend. Mein Opa malochte in einer Zeche, meine Oma war Hausfrau. Der Stadtteil, in dem ich 16 Jahre lebte war ethnisch durchmischt. Das heißt auf deutsch: Es lebten viele „Gastarbeiter“ mit ihren Familien dort. Meine besten Freunde waren marokkanische Kinder. Ich spielte mit Türken und Deutschen. Wenn Frau Z. selbst Fladenbrot buk und uns eins abgab, war das immer ein Grund zur Freude. Und einmal lud sie uns zu Couscous mit Fisch ein, was selbst meiner Oma Tränen in die Augen trieb (es war sehr scharf), das sie aber in höchsten Tönen lobte. Wir waren auf völlig unspektakuläre Art tolerant. Wir lebten einfach mit unseren Nachbarn und Kollegen. Wir wussten nicht mal, dass wir tolerant waren.
Es war sicher nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen. Und später wurde der Konflikt der Nationalitäten sogar richtig schlimm. Aber zu meiner Kindheit gehört, dass Freunde Freunde und Idioten Idioten waren, ungeachtet ihrer Haar- oder Hautfarbe. Manchmal waren meine Freunde sogar Idioten.
Die Grundschule, die besuchte war ein Spiegel ihrer Umgebung. Viele Kinder hatten „Migrationshintergrund“. Ich weiß nicht mehr, wie genau die Klassen zusammengesetzt waren, aber es waren mehr deutsche Kinder als Ausländerkinder. Die Konflikte, die wir damals von unseren Lehrerinnen eingeimpft bekamen, vollzogen sich eher entlang der Klassenschranken. Fräulein B., meine Klassenlehrerin in der 3. und 4. Klasse, bestand peinlich auf korrektem Hochdeutsch, damit man uns nicht sofort die Arbeiterkinder anhörte und uns jede Chance auf ein besseres (mittelständisches) Leben verwehrt bliebe.
Auf dem Pausenhof prügelten wir uns. Was heute vielleicht einen Polizeieinsatz zur Folge hätte, war für uns die ganz normale Art, Klassenhierarchien aufzubauen. Ab der 3. Klasse entdeckten wir dann auch, dass Mädchen irgendwie anders sind. Die Mädchen selber hatten das natürlich schon lange gewusst.
Die ersten Schulhofbanden bildeten sich dann auch entlang der Geschlechtergrenzen. Wir hatten zuerst eine Jungen- und eine Mädchenbande in unserer Klasse. Die Banden verbrachten viel Zeit damit, Bande zu sein. Also standen wir in einer Ecke des Schulhofes zusammen, tuschelten und guckten immer wieder zu der anderen Bande rüber. Zungen wurden heraus gestreckt. Schmähungen flogen hin und her. Und war Silke nicht verdammt süß, wenn sie die Arme in die Hüfte stemmte? Nein! Natürlich nicht. Blöde Mädchen.
Mein größter Coup der 3. Klasse war, als ich einem Mädchen den Code zu ihrer „Geheimschrift“ aus dem Ranzen stahl (Ersetze Buchstaben durch Zahlen. Wieso sind WIR da nie drauf gekommen?) und so alle ihre geheimen Zettel lesen konnten. „Skeltem ist doof“ heißt das? Na wartet. Ich war für mindestens drei Wochen der Chef der Jungs und Ehren-James-Bond.

Fortsetzung folgt …