„I’m a looser baby, so why don’t you kill me?“

Manchmal muss man einfach ehrlich zu sich selbst sein. Auch wenn’s weh tut. Aber nachdem ich das Gleiche von verschiedenen Seiten mehr oder weniger schonend gehört habe, musste ich der schrecklichen Wahrheit ins Auge sehen: Ich bin ein schlechter Verlierer.

Gut, es hätte mir auch etwas sagen sollen, dass damals niemand mehr mit mir BloodBowl spielen wollte. Dabei habe ich wirklich nicht immer nach einer verpatzten Aktion mit dem Würfelbecher geworfen. Nur zwei oder drei Mal. Pro Spiel. Und mein Spielleiter hätte sich nicht wirklich wundern müssen, dass sein Sichtschirm plötzlich einen Riss hatte. Ich habe schließlich an dem Charakter gehangen. Und dass der Idiot, der mich damals bei diesem Online-Rollenspiel umgehauen und mein ganzes Zeug geklaut hat, plötzlich diesen schlimmen Wurm hatte…

Dabei bin ich ein ruhiger und ausgeglichener Mensch. Aber wenn ein Sechsseiter 5 Mal hintereinander eine „1“ zeigt, dann kann da doch was nicht stimmen, oder? Oder wenn ich beim Doppelkopf minus 120 Punkte habe, weil den ganzen Abend nur Scheißkarten hatte, kann man doch mal ein bisschen verstimmt sein. Ok, ich hätte P. Vielleicht nicht „dumme Sau“ nennen sollen, als er mir mein Solo kaputt gemacht hat. Aber ist das gleich ein Grund, mir die Freundschaft zu kündigen? Und was soll dieser lächerliche Gerichtsbeschluss, den H,. erwirkt hat, bloß weil ich ihn beim „Magic“ mal ein bisschen gewürgt habe, weil er meine super teure Kreatur mit einer „häufigen“ Karte außer Gefecht gesetzt hat? Ich habe wirklich nicht fest zugedrückt. Ehrlich.

Aber irgendwann ist Lapis dann der Kragen geplatzt. Vielleicht hätte ich nicht mit Scheidung drohen sollen, als sie ihren zweiten „Kniffel“ hinlegte. Jedenfalls meinte sie, dass ich Hilfe bräuchte und wenn ich nichts unternähme würde sie nicht nur nie wieder ein Spiel mit mir spielen, sondern ernsthaft erwägen, Fremd zu spielen.

Der Gedanke, dass meine Frau mit Wildfremden kniffelt oder gar „Siedler“ spielt war mehr, als ich ertragen konnte. Also schlug ich das Telefonbuch unseres damaligen Wohnortes auf und fand: nichts. Ich wollte bereits nach 5 Minuten intensiver Suche aufgeben und mich in das Schicksal fügen, in Zukunft mit mir selbst spielen zu müssen. Da fiel mir im Papiermüll das wöchentliche Anzeigenblatt auf. Zwischen „Monique, der heißen Hexe“ (wohl ein Schnellimbiss) und „Dorothea, der Domina“ (ich musste unwillkürlich an ein Raumschiff denken) hatte eine Gruppe namens „Looser Anonymous“ inseriert. Sie hielten einen Gruppenabend ab für Leute, die Probleme damit hätten, Verlierer zu sein. Nun, eigentlich hatte ich ja keine Probleme damit, zu verlieren. Aber meine Umgebung schien komischer weise mit mir zu leiden. Also beschloss ich, auf diesen Gruppenabend zu gehen. Das würde Lapis meinen guten Willen zeigen. Und wenn nichts weiter dabei rumkam, konnte ich sie wenigstens über die korrekte Schreibweise von „Loser“ aufklären.

Das war gleich die erste Enttäuschung des Abends, denn „Peter“* erklärte, dass das „Looser“ schon beabsichtigt sei. Denn „loose“ hieße ja auch „lose“ oder „locker“ und eigentlich sei es ein drolliges Wortspiel. „Lockere Anonyme Verlierer“, haha. Er hielt meinem Blick etwa eine Sekunde stand und erklärte dann, dass es ihnen erst aufgefallen war, als die Anzeige schon in der Zeitung stand. Er sah so bedröppelt aus, dass ich ihn auch nicht darauf hinwies, dass er seinen vollen korrekten Namen samt Telefonnummer unter die Anzeige gesetzt hatte.

Neben Peter und mir waren auch noch Georg, Hans und Eusebio da. Die einzige Frau der Gruppe hatte letzte Woche die 80 Kilo unterschritten und damit irgendwie gegen die Satzung verstoßen.

Nachdem Peter mich als „Stefan“ (Zwinker, Zwinker) vorstellte und mich aufforderte, mein Problem zu schildern, konnte ich gerade noch sagen: „Mein Name ist Stefan und alle sagen, ich hätte ein Problem mit…“. Dann ging es auch schon los. „Ha, du glaubst, du hast ein Problem? Ich hatte seit 15 Jahren keine Verabredung mehr.“ „15 Jahre! Ich hatte noch nie eine! Und wohne bei meinen Eltern. Mit 42.“ „Du hast Eltern? Was machst du dann hier, du Gewinner?“ „Ich warte, bis der Präparator meinen besten Freund, der gestern von Auto überfahren wurde, fertig gemacht hat.“ „Du hast Freunde? Hast du vielleicht auch noch in der Lotterie gewonnen?“ „Ich habe an dem Hund gehangen, du Glückschwein, seit ich ein Kind war.“ „Ich hätte als Kind auch gerne einen Hund gehabt. Aber meine Eltern haben mir keinen erlaubt. Da habe ich mir eine Ratte gezähmt, aber die hat mich gebissen. Aus Angst habe ich nichts gesagt, und da hat sich der Biss entzündet und sie mussten mir einen Zeh abnehmen. Wollt ihr mal sehen?“ „Ihr hattet Ratten? Was hätte ich für eine leckere Ratte gegeben! Was machst du überhaupt hier, du Zoowärter.“ „Ich schlage die Zeit bis zur Dialyse tot, die glückliche gesunde Sau.“ „Du hast wenigstens einen Dialyse-Platz. Was soll ich denn sagen? Mir haben sie meine Wohnung gekündigt und ich sitze mit einer offenen Lungenentzündung auf der Straße“ Nach diesem Satz rückten alle etwas von Georg ab.

Es ging den Abend dann so weiter. Ich rückte näher an Eusebio, der an diesem Abend noch nichts gesagt hatte und nur lächelnd, auf seinem Stuhl saß. „Ehm, Eusebio, warum sind Sie hier bei diesen Verlierern?“ Er antwortete: „μην καταλάβετε μια λέξη. Αλλά όταν ήμουν εδώ , Αισθάνομαι καλύτερα Ακόμα κι αν η σύζυγος και τα παιδιά μου ζουν σε Θεσσαλονίκη.“**

Ich bin dann nie wieder hingegangen. Aber es hat trotzdem geholfen. Jedes Mal, wenn ich ein Spiel verlor, musste ich an die „Looser“ denken und plötzlich war ich froh und glücklich, dass es nur ein Spiel war. Manchmal habe ich den Verdacht, dass das eine ganz raffinierte Art der Therapie war. Aber Lapis hat nie zugegeben, dass die Anzeige ein Fake war.

 

 

 

*Namen der Verlierer aus Rücksicht auf ihre Familien geändert.

** Ich verstehe kein Wort. Aber wenn ich hier war, geht es mir besser. Selbst, wenn meine Frau und meine Kinder in Thessaloniki leben.

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