Festrede


Liebe Gäste, liebe Mama, lieber Papa!

Ich war eigentlich gar nicht… hätte mir natürlich denken können, als ältester Sohn, um nicht zu sagen: einziger … aber erstens kommt es anders.. und so weiter… Aber ich will euch nicht lange quälen, nur soviel… ja. Ich hebe also mein Glas auf euch .. nachdem ich doch noch ein paar Worte gesagt habe.

Wir sind heute hier alle versammelt, um eine frohes Ereignis, quasi zu zelebrieren und es hat mit meinen Eltern zu tun. Wir sind also versammelt und die Versammlung war auch ordnungsgemäß angemeldet, a-HA, aber trotzdem musste Heike sich wieder vermummen. Aber das heißt wohl Mode heute, auch wenn… aber lassen wir das. Es geht ja vor allem um Mama und Papa und wir feiern sie heute.

Wer hätte gedacht vor wer-weiß-wievielen Jahren, dass wir heute alle hier sitzen und feiern und es uns gut gehen lassen? Ich sicher nicht, denn ich war ja damals noch gar nicht da. Und Petra und Heike kamen ja auch erst viel später, praktisch ein Anhängsel, ein Appendix, zu Mamas und Papas gemeinsamer Geschichte. Vor allem Heike, die ja unser Nesthaken ist, das kann man ja schon am Namen erkennen, a-HA. Nichts für Ungut, Heike. Also hebe ich jetzt mein Glas, auf unsere Eltern, dass sie immer so glücklich … aber es war ja nicht nur Glück.

Ich erinnere mich nicht ungerne an andere Zeiten, da es uns nicht so gut ging, wie es uns heute geht, wo wir in diesem wundervollen Ort zusammensitzen und feiern, nein, es ging uns nicht immer gut. Petra kann sich vielleicht noch erinnern, Heike kam ja erst viel später, quasi als.. das hatten wir schon. Trotzdem haben wir alle zusammen, vor allem Papa, aber auch Mama auf ihre Weise, angepackt und .. ja. Ich hebe also mein Glas, auf Papa und Mama und dass wir es geschafft haben, gegen alle Widerstände… ja, es gab auch Widerstände.

Vielleicht ist das nicht der richtige Ort und die richtige Zeit, aber es muss auch mal gesagt werden, das, mit dem Heiner war nicht korrekt, Mama. Ja, ich weiß, Schnee von gestern, aber trotzdem. Das hätte unsere glückliche Familie damals fast kaputt gemacht und ich, wo ich gerade aufs Gymnasium gekommen bin und alles. Wir wissen ja alles, was war, besonders Petra, aber .. ich mein ja nur. Aber es hat sich dann ja alles wieder wunderbar gefügt und wenn Heiner noch leben würde, würde er sicher auch hier an der Festtafel sitzen und mit uns sein Glas heben auf … Papa.

Wenn ich aber schon die Sache mit Heiner erwähne, kann ich nicht Fräulein Siegrun unter den Festtisch fallen lassen, oder Papa? Du winkst ab, aber es ist ja noch nicht so lange her, dass du ausgezogen bist. „Zur Probe“, wie Mama damals sagte, aber wir wussten natürlich alle, selbst Heike, was da… ne? Aber Männer sind Männer, wie du immer sagst und Männer machen auch mal Fehler und ich bin sicher, dass die Anzeige von Siegrun völlig unbegründet war. Der Konsens, der unsere glückliche Familie zusammenschweißt, auch nach so vielen Jahren, ist, dass die kleine … Und das Geld hat sie dann ja auch schnell genommen. Aber genug davon. Wir sind ja hier zum Feiern und nicht, um alte Geschichten aufzuwärmen. Also hebe ich mein Glas auf dieses wundervolle Paar, dass meine Eltern sind und.. wünschte, dass Gerti auch hier wäre.

Meine Frau. Ex-Frau! Ex-Frau! Sie hätte sich sicher genauso amüsiert wie wir alle, die wir hier zu diesem gemütlichen… an diesem Ort … Verzeihung. Aber ich bin immer noch etwas… Gerti, ja. Sie ist ja jetzt in Kanada, mit ihrem… Aber das wollte ich gar nicht erzählen, oder? Ich hebe also mein Glas auf Gerti, wo immer sie jetzt auch ist. Prost!

Morgenstern


Einleitung:
Wieder ein „Blast from the Past“. Diese Geschichte habe ich Anfang der Neunziger geschrieben. Eigentlich handelt es sich bei „Morgenstern“ um ein Prosa-Gedicht und es war die Einleitung eines Kapitel in einem Buch, das ich nie beendet habe. Ich habe es etwas gekürzt und aufpoliert und poste es, weil mir einige der Bilder darin gut gefallen, auch wenn das ganze ziemlich pubertär war. Without further ado:

Ich bin der dunkle Engel. Ich bin die Gestalt, die geformt aus dem Gedanken, die Kälte der Städte bereist. Meine Augen sind schwarz geworden vom Leid der Menschen. Mein Haar ist Asche und Rauch. Mein Ge­wand ist Trauer. Meine Füße wandeln auf den Körpern der Unschuldigen. In meinen bleichen Händen halte ich die Werkzeuge des Schicksals. Meine meine Burg besteht aus Glas, Be­ton und Stahl. Mein Streitwagen wird von zweihundert Pferden gezogen, die gleichsam kalt und unbarmherzig sind. Aus meinem Rücken wachsen keine Flügel mehr.

Das Gefühl der Ohnmacht ist mein Blut. Meine Schuld ist die Unfähigkeit zur Unschuld. Sklaverei ist meine Freihet. Meine Kraft ist Angst. Meine Hoffnung Tod. Der dunkle Engel fiel und er fällt immer noch.

So bereise ich eure Molochs, die vom Leben überquellen, aber nur Zerstörung verbreiten. Ich reise auf silbernen Pfaden, unerkannt, gefürchtet. Ich bin unter euch, die ihr Ehrfurcht gegen Furcht eingetauscht habt; die die Verehrung von etwas Lebendigem durch die Anbetung des Toten ersetzt haben. Auf meinem endlosen Wege habe ich beinahe alles gesehen, aber nichts von euch gelernt, das nicht mit Angst und Hass zu tun hat.

Das Licht verbrennt mich, es ist erfüllt von Wahrheit. Wie ich mich nach der Lüge sehne und der Ruhe des Geistes, die sie bringt. Mein Weg führt immer nur nach vorne bis in einen Abgrund, den ich nicht betreten darf. Also drehe ich mich im Kreise, auf ewig. Meinen Schmerz ersticke ich in der Erschaffung weiterer Schmerzen.

Manchmal jedoch lasse ich meinen Gedanken freien Lauf. Da möchte ich lieben können und lachen. Dann tanze ich mit dem Tod ein Menuett zu den Klängen eines Walzers. Da singe ich ein fröhliches Liedchen von Vögeln und Sonne und vögeln. Sterblich will ich sein und dumm wie ihr. Den Baum der Erkenntnis, den möcht´ ich gerne umhauen und nackt um das Feuer tanzen, das ich mir aus ihm anzünde. Die schönsten Menschen unter dem Himmel will ich ver­führen und an einer großen Tafel mit ihnen essen. Und sie essen.

Ich denke dies und wandere weiter. Ich singe das Lied des Lebens mit einer vergessenen Me­lodie und einem Text, den ihr verboten habt. Nennt mich Morgenstern und belasst es dabei! Ich werde weiter wandern und niemand wird mich aufhalten. Ich bin der dunkle Engel, der einzige meiner Art.

Ich träume manchmal, daß ich tot sei.
Dann lächele ich.

Und ihr habt Angst.

 

20.6.2007: Design


Vorgestern habe ich Post von einer lieben Freundin aus Moers bekommen. Neben dem schmeichelhaften Lob für die Miszellen bemerkte sie, dass ich ja wieder das alte Design eingestellt hätte. Das findet sie besser und übersichtlicher.

Ich hatte das alten Design aus Nostalgiegründen in der „Geburtstagswoche“ eingestellt. Eigentlich würde ich gerne weiter „Press Row“, das aktuelle, benutzen. Nun ist es nicht so, dass ich nicht auf meine Leserinnen und Leser höre. Hiermit verkünde ich eine Abstimmung. Das alte Design heißt „Quentin“. Wenn ihr das lieber wollt, schreibt einfach einen Kommentar mit „Quentin“oder „das Alte“ oder „rot“ unter diese Miszelle.

Das neue „Theme“ Press Row hat allerdings Vorteile. Da wäre der konfigurierbare Header mit meinem Antlitz 🙂 Wen das nicht überzeugt, der kann die einzelnen Beiträge leichter mit den Links oben auf der Seite blättern. Plus, man kann gleich zu den Kommentaren springen.

Wenn eine überwältigende konservative Bewegung hier „Press Row“ ablehnt, werde ich mich beugen. Ein, zwei „wäh, früher war alles besser“ nehme ich mir heraus, zu ignorieren.

Neustart


Vorgestern habe ich ein wenig über die äußeren Umstände erzählt, die bei der Entstehung einer Miszelle ein Rolle spielen. Heute will ich auf die inhaltliche Seite eingehen und außerdem darauf, was ich mir für das nächste Jahr (na ja, Monate) gedacht habe.

Vor einem Jahr dachte ich, ich würde gerne ein Blog schreiben, dass von meinen Leidenschaften handelt und meinen Sinn für Humor transportiert. Damals hatte ich irgendwas zwischen Olnigg und wissenschaft.de im Sinn. Vielleicht ein bisschen „Wochenshow“ und etwas „Scheibenwischer“ dazu. Ach ja, und Homestorys, immerhin schreibe ich ein Blog. Da darf ein „wie ich heute morgen beim Aufstehen ganz ganz doll niesen musste“ nicht fehlen. Das interessiert! Das rührt die Leser. Und Carmen Nebel.

Die Miszellen sollten am Anfang viel mehr von verschiedenen Spielen handeln. Außerdem dachte ich mir, in der Rubrik „Film-Buch-Filmbuch“ Bücher und DVDs vorzustellen, die mir besonders gut gefallen haben. Dazu kam, dass Lapis und andere Verschwörerinnen es für gut befanden, mich in eine Selbsthilfegruppe für Schwerhörige zu verfrachten. Das bildete dann meine „deaf awareness“ und den Start der „USS Acoustically Challengend“, also der „USS Akustisch Gefordert“.

Bald merkte ich, dass ich zwar gerne spiele, aber die Spielerei ist kein Thema, über das ich gerne schreibe. Die Ausnahme sind die richtigen Rollenspiele, über die ich wirklich gerne erzähle. Das wird jeder Rollenspieler nachempfinden können. Vor allem aber bin ich sehr glücklich, trotz meiner Gehörlosigkeit in der Lage zu sein, Spielleiter (bzw. Storyteller) zu sein. Außerdem bekam ich wieder Lust, Dingen auf den Grund zu gehen, „richtige“ Bücher zu lesen. Derzeit sammele ich Literatur und lese Bücher zum Zusammenhang zwischen Religion, Sexualität (bzw. Ablehnung derselben) und Gewalt. Vielleicht mache ich da was draus, obwohl ich wahrscheinlich keine Promotion mehr hinkriege, wie Lapis vorgeschlagen hat.

Die Themen für die Miszellen finde ich im Internet, in der Zeitung, den Nachrichten oder auf der Straße. Am Anfang habe ich mir Notizen gemacht und Zeitungsausschnitte gesammelt. Als die Wände meines Zimmers aussahen, als seien sie mit Zeitung tapeziert und ich nur unter Mühe meinen Monitor unter all dem Papier fand, beschloss ich, dass ich eigentlich genug Material da draußen finde, um jeden Tag zwei Miszellen zu schreiben und für Aktualität sei der SPIEGEL zuständig.

In der nahen Zukunft werde ich meine Trilogie in vier Teilen weiterführen und beenden. Eigentlich sollte die aus „Glaube“, „Wahrheit“, „Hoffnungslosigkeit“ bestehen. Seitdem die fundamentalistischen Atheisten aber sogar einen Titel im SPIEGEL bekommen, muss ich auch mal was zu „Religion“ sagen. Immerhin habe ich das studiert. Bei der „Hoffnung“ Miszelle ist noch nicht sicher, wie sie letztendlich heißen wird, das hängt von den Nachrichten ab. Momentan bin ich für „hoffnungslos“.

Ich arbeite daran, wieder mehr Miszellen zu veröffentlichen, werde mir aber mehr Zeit nehmen und auch mal mehrere Tage an einer sitzen. Nachdem ich ein Jahr lang ein wenig (ein wenig viel, ich weiß) den Intellektuellen habe heraushängen lassen, habe ich mir vorgenommen, mehr meinen Schneider zu beachten und für die Leser zu schreiben, statt für mich.(Sätze wie der letzte sollten also ein Ding der Vergangenheit sein 🙂 ) Ich mache mir keine Illusionen darüber, dass ich Journalist bin. Aber einen guten Stil zu erstreben, ist ja schon mal ein Anfang 🙂

Wie die Ein-Wort-Überschriften des Miszellen zustande kamen, weiß ich eigentlich nicht mehr. Vielleicht hat das mit der traumatischen Erfahrung damals beim „Bökelburger Tageblatt“ tun. Mein Chefredakteur meinte (wohl zu Recht), dass ich keine guten Überschriften schreiben kann. Allerdings verlor er ein wenig Glaubwürdigkeit, als er aus „Teddy und die Heimwehseuche“ „Wenn es Nacht wird, schlägt die Stunde der Kuscheltiere“ machte. In Zukunft werden Überschriften aus zwei oder drei (!) Wörtern kein Tabu mehr sein.

Zusammenfassend werden die Miszellen sich ein klein wenig ändern, aber (hoffentlich) besser und vor allem lesefreundlicher werden. Das Themenspektrum bleibt, wie es ist, obwohl der Trend zu den etwas ernsthafteren Themen wohl bleibt. Beim Layout werde ich nach der Geburtstagswoche wieder zu „Press Row“ zurückkehren, weil es einfach das bessere Layout ist. Irgendwann in der Zukunft werden die Miszellen noch einmal umziehen. Wenn ich mir nämlich eine eigene Homepage angeschafft zu haben. Dank WordPress ist der Umzug aber sehr einfach zu bewerkstelligen.

Zum Schluss noch ein „Dankeschön“ für die vielen Glückwünsche zum Einjährigen der Miszellen und das ausschließlich positive Feedback, das ich erhalten habe. Ich bin sehr motiviert, in Zukunft noch bessere Miszellen zu verfassen.

Ein Jahr „Meine Miszellen“


Heute vor einem Jahr habe ich die erste Miszelle „Start“, damals noch bei Kulando veröffentlicht. Zu den inhaltlichen Sachen äußere ich mich in „Neustart“, morgen oder übermorgen.

Ich sage „Danke“ für das immer noch vorhandene Interesse an meinen Einlassungen. Zwar haben diejenigen Miszellen die meisten Besucher, die sich auf „Virtual Hottie“, „Carmen Nebel“ und „Sex mit Frühstückstabletts“ beziehen, aber selbst solche Brocken wie „Glaube“ finden tatsächlich Leser 🙂

Heute will ich ein wenig aus der Schule plaudern. Der Name „Miszellen“ bedeutet zwar „Verschiedenes“ und wird meist auf wissenschaftliche Veröffentlichungen zu unterschiedlichen Themen angewandt, aber ich habe den Namen ganz profan aus der deutschen Übersetzung der Neuauflage des „Wahrhammer Fantasy Rollenspiels“ (1. Auflage, 2005). Da ist auf Seite 126 das englische ‚miscellaneous‘ als ‚Miszellen‘ übersetzt worden. Normalerweise bin ich kein großer Freund der Feder&Schwert-Übersetzungen (‚Seelenstärke‘!), aber Miszelle hatte was. Zumal der Alternativtitel „Miscellaneous Debris“ (Verschiedenes Geröll, brr) nach der ‚Primus‘ CD gewesen wäre.

Die Miszellen entstehen mit dem Textverarbeitungsprogramm von OpenOffice, was ich ziemlich gut finde. Normalerweise versuche ich sie, auf eine DinA 4 Seite zu begrenzen, was nicht immer gelingt (Mea culpa). Bei Dialog lastigen Miszellen können es auch schon mal 2 Seiten werden. Ich versuche mich in der neuen Rechtschreibung, aber irgendwo habe ich aufgehört, auf dem aktuellsten Stand bleiben zu wollen. Ich werde häufig freundlich auf Rechtschreibfehler hingewiesen. Ich selbst finde beim Durchlesen älterer Miszellen auch oft welche. Meistens, wenn sie nicht Sinn entstellend sind, lasse ich sie drin. Das hat nichts (oder nur wenig) mit Faulheit zu tun, sondern ist ein Relikt aus den Anfangstagen.

Ich habe die Miszellen begonnen, um mich selbst wieder fit zu schreiben. Nach meinem Studium wollte ich mich beruflich in die journalistische Richtung entwickeln. Am liebsten Online- und/oder Wissenschaftsjournalist. Deswegen habe ich Praktika bei einer Zeitung und einer Online-Redaktion gemacht. Außerdem eine Weiterbildung als „Internet-Publisher“. Warum das alles nicht so geworden ist, wie ich mir das vorgestellt habe, tut hier nichts zur Sache. Tatsache war aber, dass ich vor einem Jahr schon lange nichts mehr geschrieben hatte.

Die Miszellen waren ein Weg, wieder ernsthaft zu schreiben und meinen Kopf zu etwas anderem zu benutzen, als ihn wiederholt öffnen zu lassen. Die Theorie war, dass ein Redakteur mindestens einen Artikel am Tag schreiben sollte, der interessant und fehlerfrei sein muss. Dass ich geschriebene Miszellen nicht korrigiert habe, sollte eine Leistungsüberprüfung sein. So konnte ich sehen, ob ich mit der Zeit weniger Fehler mache.

Wie ihr ja gemerkt habt, hat die „Schlagzahl“ der Miszellen seit meiner letzten OP im Januar nachgelassen, dafür werde ich sie ab jetzt etwas sorgfältiger redigieren. Bislang war es auch so, dass ich die Miszelle an einem Tag fertig haben musste. Ausnahmen gab es, wenn ich etwas länger an schwierigen Formulierungen gebrütet habe. Aber theoretisch hatte ich mir als Ziel gesetzt, eine Miszelle in zwei Stunden runterzuschreiben. Sie sollte witzig, leicht, interessant zu lesen sein oder informativ, ohne zu erschlagen.

Bei manchen ist mir das gelungen, bei anderen eher nicht. Ich hoffe, dass die überwiegende Zahl meiner Miszellen lesenswert sind. Für das nächste Jahr habe ich ein paar Pläne, über die ich in der schon angesprochenen Miszelle „Neustart“ schreibe.

 

Danke für die Aufmerksamkeit. Auf ein weiteres Jahr „Meine Miszellen“.

 

Skeltem

Rallye


Wenn man in Coburg Spaß haben will, muss man sich etwas einfallen lassen. Zum Beispiel eine Mülltonnen-Rallye. Das geht ganz einfach, kostet lediglich Zeit und ein paar Nerven und bringt fun, fun, fun. Oder einen stinkenden Hausflur für 2 Wochen.

Lapis und ich sind so etwas wie die Hausmeister unserer Hausgemeinschaft. Das heißt, wir putzen den Flur (Lapis putzt den Flur, ich habe ein Attest!), stellen den Müll einmal die Woche vor die Tür (ich stelle den Müll raus, Lapis hat diesen Attest nicht akzeptiert. Sie sagt, es gebe keine Müll-Allergie), schnüffeln ein wenig bei Nachbarn rum und ärgern uns, dass es keine Kinder im Haus gibt, denen wir das Lärmen verbieten können.

Wenn ich etwas übermütig oder schusselig werde, vergesse ich, abends den Müll raus zu stellen. Dann eine Nacht drüber schlafen und schon kann die Rallye beginnen. Die einfach Form der Rallye ist das „sich gerade noch rechtzeitig erinnern“. Will heißen, ich wache mit einem Schrei auf, renne in Lapis‘ Zimmer und fuchtele wie wild mit den Armen. Sie weiß dann sofort: der Müll! Sie springt dann in ihre Klamotten (ja tut sie, ich habe es gesehen), rennt die Treppe runter, schnappt sich die Mülltonne und rennt auf die Straße. Oder sie rüttelt mich aus dem Schlaf, buchstabiert M – Ü – L – L per Fingeralphabet, ich greife mir irgendwelche Klamotten und wetze los. Wenn es eine langweilige Rallye ist, kommen wir rechtzeitig, um den Müllmännern die Tonne entgegen zu halten. An manchen Tage ist der Müll schon abgeholt, dann renne ich die Treppe hoch mache Panik und gebe den Stab an Lapis weiter. Sie rennt dann, die Tonne hinter sich herziehend, die Straße hoch, dem entschwindenden Müllwagen hinterher.

Die komplizierte Form der Rallye beschäftigt uns beide einen Vormittag und kann nur an Tagen stattfinden, an denen Lapis nicht zur Arbeit muss. Sie beginnt meist damit, dass einer von uns mit dem nagenden Gefühl aufwacht, etwas vergessen zu haben. Spätestens beim Zeitungsholen fallen uns dann die vielen (leeren) Mülltonnen auf der Straße auf und die Rallye beginnt.

Lapis telefoniert dann mit den Stadtwerken und versucht, herauszubringen, wo der Müllwagen als nächstes Tonnen leert. Wenn sie das herausgekriegt hat, sprinte ich mit dem Müll durch die Stadt und stelle die Tonne dort möglichst auffällig ab.

Dann heißt es warten und ab und zu vorbeischauen, um zu gucken, ob die Tonne leer ist. Der Müllwagen als solcher scheint nie zu kommen, wenn man gerade zusieht, also treiben wir uns pfeifend und Schaufensterauslagen anstarrend in der Nähe unserer Tonne herum. Plötzlich gibt es ein infernalisches Krachen! Sofort schieße ich um die Ecke, um unsere Mülltonne wieder mitzunehmen. Aber die Müllmänner sind manchmal nicht in der Stimmung, oder sie riechen, dass diese Tonne nicht in ihrem normalen Revier ist. Vielleicht haben sie auch einen besonderes Gespür für Müll, auf jeden Fall, nehmen sie die Kuckuckstonne nicht mit. Dann sprinte ich dem scheuen Wagen hinterher, um das Herz der Müller zu erweichen und klage über das Schicksal der armen ungeleerten Tonne (und unserer Hausgemeinschaft). Meistens geben sich dann die auch die härtesten Orangeträger einen Ruck und nuscheln etwas in ihren Bart, von dem ich hoffe, dass es Zustimmung ist. Ich laufe zurück zur Tonne, laufe wieder zum Wagen, aber der ist weggefahren.

Das ist ein kritischer Punkt bei der Rallye, denn selbst die härtesten Mülltonnenvergesser kommen in Versuchung, den Müll Müll sein zu lassen und 2 Wochen Gestank in Kauf zu nehmen. Dann denke ich an Lapis‘ Gesicht, wenn ich ihr sage, ich konnte den Müll nicht loswerden und renne los, um sie zu suchen.

Meistens finde ich sie vor einem Schuhgeschäft, schildere ihr den Fall und sie rennt los, während ich erschöpft bei der Tonne warte. Dank ihrer freundlichen Art und nicht wenigen weibliche Reize, konnte sie dem Müllentsorger entlocken, wie die Route weiter aussieht.

Wir joggen also mit der Tonne durch die Stadt und stellen uns an die mutmaßliche Müllstrecke, wie eine stinkende Bandenwerbung. Jetzt heißt es Geduld haben. Je nachdem, wo wir stehen, dauert es lange oder sehr lange bis sich das schwerfällige, orange Ungetüm blicken lässt. Für den coup de grâce ist wiederum Lapis zuständig. Die redet beruhigend auf den Müllmann, den Vorgesetzten des Müllmanns und den Müllwagenfahrer ein, bis sie bereit sind, die Tonne an der ungewohnten Stelle in den Wagen zu entladen.

So eine Rallye hält einen ganz schön in Atem. Kann man nicht jede Woche machen.

Glaube


Alle Menschen glauben. Sie glauben entweder an Gott, dass die Börse sich erholt, dass die Falten um ihre Augen wieder etwas zugenommen haben, dass die Sonne gleich aufgeht oder ‚ich dir gleich ein paar aufs Maul geben muss‘.

Der Unterschied von Glaube und Wissen ist marginal. Zumindest in der Wissenschaft. Wissen ist Glaube, den genug Menschen teilen und den man durch Beobachtung in einer sehr großen Anzahl von Fällen nachvollziehen kann. Im Alltag ist Wissen Gewissheit. Es muss Gewissheiten geben, da wir sonst nicht unsere Leben leben könnten. Wenn wir ständig an den einfachsten Sachen zweifeln würden, kämen wir gar nicht mehr dazu, irgend etwas zu tun. Unsicherheit erzeugt Angst. Deswegen vermeiden wir Unsicherheit auf viele verschiedene Arten, aber die grundsätzlichste Strategie der Vermeidung von Unsicherheit ist der Glaube. Der Glaube, dass die Welt so ist, wie wir sie wahrnehmen.

Unsere Wahrnehmungen, oder besser: unsere Erkenntnismöglichkeiten sind jedoch begrenzt. Wenn wir nur alles das für real hielten, was wir mit unseren Sinnen erfassen könnten, würde ich immer wieder aufstehen müssen, um mich davon zu überzeugen, dass die Küche noch existiert. Wenn ich ‚weiß‘, dass die Küche noch existiert, ist das eine sehr wahrscheinliche Annahme, aber kein ‚Wissen‘ in dem Sinne einer unmittelbaren empirischen Wirklichkeit.

Es gibt aber auch Phänomene, deren Existenz weniger wahrscheinlich ist. Hier bekommen wir Probleme. Die Welt ‚zerfasert‘ an den Rändern dessen, was wir wissen und Unsicherheit erhebt ihr hässliches Haupt.

Beispiel Evolution. Wir beginnen gerade erst die Komplexität des Systems Erde zu begreifen. Wie kann man sich vorstellen, dass sich so etwas entwickelt hat? Die Wissenschaft sagt, die Erde hat sich im Laufe der Jahrmilliarden so entwickelt, wie sie heute ist. Das Leben ist von den ersten Einzellern in einer Ursuppe durch Mutation, Auslese und Anpassung zu dem geworden, was wir heute immer noch nicht ganz überschauen können. Als Beweis liegen eine ganze Reihe von Fakten vor wie Bohrkerne, Fossilien und so weiter. Es ist eine Theorie. Es ist keine Gewissheit und kein Wissenschaftler, der sich so nennen darf, wird sagen, dass es gesichert ist, dass es so abgelaufen ist. Der Streitpunkt ist die Höhe der Wahrscheinlichkeit, dass es so abgelaufen ist. Funde und Berechnungen werden herangezogen, um die Theorie zu untermauern. Religionen sagen, in den Heiligen Schriften steht, dass die Welt von einem äußeren, übernatürlichen, Einfluss erschaffen wurde. Für sie ist das Wissen. Es steht geschrieben, also ist es so. Sie glauben den Schriften oder den Überlieferungen ihrer Ahnen. Problem erledigt. Wie wahrscheinlich ist es, dass ein Gott die Welt in 6 Tagen erschaffen hat? Wie wahrscheinlich ist es, dass mythische Vorfahren die Welt erträumt haben oder ein Geschichte Gestalt angenommen hat? Die meisten Mitteleuropäer sagen: Sehr, sehr unwahrscheinlich. Vielleicht halten sie den Fragenden sogar für etwas zurückgeblieben, überhaupt so etwas zu fragen. In anderen Gegenden des Welt, ja sogar im ‚zivilisierten‘ Ausland, werden die Wahrscheinlichkeiten anders wahrgenommen. Wie wahrscheinlich ist es, dass so etwas wie eine Hummel existiert? Wie kann das gesamte komplexe Ökosystem der Erde aus blinden Zufällen entstanden sein? Und warum? Dass die Welt einfach existiert, keinem Zweck dient und einer Ansammlung von völlig spontanen Entwicklungen entsprungen sein soll, halten sie für sehr unwahrscheinlich.

Die ‚Aufgeklärten‘ wüten gegen die Religiösen, aber jede Fraktion ist letztendlich vom Glauben an die Richtigkeit der eigenen Argumente überzeugt. Das Problem ist: wir können nicht wissen. Wir sitzen auf einer kleinen Insel der Wirklichkeit und um uns schwappt der große Ozean des Möglichen an den Strand, aber selbst, wenn wir nasse Füße bekommen, ziehen wir vor, lieber weiter ins Landesinnere zu gehen als zuzugeben, dass da etwas ist, das wir uns nicht erklären können.

Wir versuchen, das Unbeschreibliche zu beschreiben. Wir können nicht über den Horizont hinaus sehen, stellen uns aber vor, was da sein könnte. Und weil wir nur unsere Insel kennen, muss es jenseits des Horizontes andere Inseln geben, die genauso aussehen wir unsere. Manche Menschen gehen systematisch vor und untersuchen Kiesel am Strand. Oder bestimmte Abschnitte des Wassers. Oder das eine oder andere Tier, das an den Strand gespült wurde. Sie beschließen, dass wir auf diese Art und Weise irgendwann einmal alles über den Ozean wissen können. Andere sehen in dem Ozean selbst eine Macht, die ihr Leben beeinflusst. Es gibt nichts außer der Insel und den Ozean denken sie. Und weil der Ozean so groß und mächtig ist, können wir ihn nie ganz erfassen und das ist gut so.

Man kann also grob drei verschiedene Glaubensformen unterscheiden: Der Glaube, dass das, was man wahrnehmen kann, alles Existierende ist. Der Glaube, dass man nicht alles wahrnehmen kann, aber wenn man sich bemüht, schafft man es irgendwann. Oder der Glaube, dass man nicht alles wahrnehmen kann, aber wenn man das Unbekannte benennt, ist es nicht mehr ganz so unbekannt. Die erste Strategie nennt man Positivismus, die zweite Wissenschaft und die dritte Religion. Es gibt auch andere Strategien, wie den Nihilismus oder den Solipsismus, aber das sind allenfalls Randerscheinungen.

Wenn wir glauben, dass die Welt, in der wir leben erklärbar ist, hat der Glaube seine Schuldigkeit getan. Glaube an sich ist ein Rüstzeug, dass die Natur des Menschen ausmacht. Soweit ich weiß, funktionieren die meisten anderen Tiere, aber die stellen sich und die Welt nicht in Frage. Nur Menschen schauen manchmal sinnierend über das Meer und schaudern.