Alberich

Ich hätte mein Windows bestimmt schon seit einem halben Jahr neu installieren müssen. Aber wegen der Nerven, die mich so etwas kostet, konnte ich mich immer noch nicht dazu durchringen. Ein Argument, mit dem ich es immer wieder vor mir her schob, ist die Frage der Datensicherung. Um mich dieser Ausrede zu entheben, habe ich letzte Woche bei einem großen deutschen Supermarkt einen 2 Giga Byte USB Flashspeicher gekauft. Nach diesem Einkauf hatte ich nicht nur „2GB onna Stick“. Mir waren auch die letzten Zweifel vergangen, warum dieser Laden so billig ist. Dafür frage ich mich jetzt, ob es das gesparte Geld wirklich wert ist, ein Tor in die Welt der Dummheit zu öffnen.

Von vorne. Ich ging also in den Supermarkt der „Alberich“-Kette, wo Geiz schon seit 50 Jahren geil ist. Ich war willens und dank meiner Oma auch in der Lage mich von einem Teil meines Geldes zu trennen. Nach einigem Suchen entdeckte ich den gesuchten Stick in einer Vitrine zwischen billigem Silberschmuck (wohl Ausschussware eines Home Shopping Kanals) und billigen Supermarkt Handys.

Über der Vitrine prangte ein Schild, dass man dessen Inhalt an der Kasse erbeten solle. Ich sah zu den Kassen und wunderte mich nicht, dass die Schlange vor der einzig geöffneten fast durch den halben Laden reichte. Aber zum Glück kam gerade die andere Mitarbeiterin vorbei, die einen Wagen mit ca. 47182 Paketen billiger Nahrungsmittel schob. Ich fragte sie also höflich, ob sie mir bitte den Stick aus der Vitrine holen könne. Allein, wer für ca. € 3.50 die Stunde einen Wagen mit fast 50000 Paketen bewegen muss neigt dazu, Kundenanfragen nicht wie das Wort seines Königs zu betrachten. Deswegen sah ich also über den Schwall mühsam kontrollierter Wut hinweg und konnte als Quintessenz immerhin ausmachen, dass ich an der Kasse nachfragen solle, wie es schließlich auf dem verdammten Schild stehe.

Also machte ich mich doch zu der offenen Kasse auf, vorbei an der Schlange, die inzwischen fast die Tiefkühltruhen im hinteren Teil des Supermarktes erreicht hatte. Ich wartete, bis die ältere Dame ihre 22,67 in Centstücken bezahlt hatte und schlüpfte dazwischen um der Kassiererin meinen Wunsch nach dem USB Stick aus der Vitrine mitzuteilen. Die junge Frau schien vor ihrem Kassendienst auch die eine oder andere Dose gestemmt zu haben und deutet auf einen Punkt nahe der Kasse und sagte etwas, das ich nicht verstand. Da der Mann mit den 200 Dosen Ravioli ungeduldig wurde, verzichtete ich darauf, nachzufragen und stellte mich in der Nähe der Kasse auf. Ich rechnete fest damit, dass die Kassiererin gleich nach dem Raviolimann irgendjemanden darüber informierte, dass hier ein Kunde darauf warte, der „Alberich“-Kette nicht unerhebliche Summen Geldes zukommen zu lassen.

Nach den Ravioli kam eine Frau mit einer großen Ladung Windeln und einer Anstaltspackung Baldrian im Einkaufswagen. Danach zwei ältere Herrschaften, die sich offensichtlich für einen Winter in einem eingeschneiten Dorf eindeckten. Dann ein Mädchen, das vielleicht 15 war und mehrere Vodkaflaschen und Zigarettenpackungen anschleppte, welche die Kassiererin abzog. Danach eine Frau im Pelzmantel, die große Mengen Lebensmittel auf das Band legte und irgendwie schuldbewusst aussah. Dann eine stark geschminkte Frau in einem knappen Overall, die sämtliche billigen DVD-Rohlinge an der Kasse zu ihren 5 Laptops aufs Band legte und mantraartig „geil, geil, geil“ murmelte. Dann Dieter Bohlen der eine CD mit billiger klassischer Musik kaufte. Dann Verona, die nichts kaufte, aber fragte, wie sie mich helfen könne. Dann wachte ich auf.

Die Kassiererin fing meinen Blick auf und deutete noch einmal sehr bestimmt auf das Ende der Schlange in meiner Nähe. Diese hatte eine „U-Biegung“ gemacht. Also stellte ich mich an und nach wenigen gefühlten Jahren befand ich mich wieder vor der Frau hinter der einzig offenen Kasse zur Hauptgeschäftszeit. Diesmal aber legitim. Sie fragte mich, was ich denn wolle und ich wiederholte meinen Wunsch nach dem 2 GB USB Stick. Daraufhin erhob sie sich vor meinen verblüfften Augen, verließ ihren Posten und schlurfte an den wartenden Kunden und der Kollegin vorbei, die inzwischen von einem Berg billiger Maccharoni verschüttet worden war. Sie schlenderte in Richtung Lager, in dem sie verschwand und nach einer schnellen Tasse Kaffee wieder hervorkam, einen kleinen Schlüssel in der Hand. Den steckte sie in das Schloss an der Vitrine, ruckelte, zog, drehte. Als nichts geschah, steckte sie den Schlüssel wieder weg und schlug einmal kurz zu. Die Vitrine sprang auf und die Kassiererin nahm den Stick heraus. Dann ging sie wieder in das Lager, machte eine Toilettenpause, rauchte schnell, las ein wenig und kam zurück. Vorbei an der geretteten Kollegin mit Nudeln im Haar und einem Suchhund auf dem Schoß, den Zelten, dem Paar das auf dem Baumkuchen kopulierte und den spielenden Supermarktkindern. Sie setzte sich wieder hinter ihre Kasse und zog mürrisch meine EC-Karte durch das Gerät. Dann fiel ihr ein, dass sie den Stick in der Vitrine gar nicht ersetzt hatte. Sie stand auf ….

Da bin ich aber mit meiner Beute schon ins Abendrot gegangen. Vorbei an der Kassenschlange, die inzwischen einmal um Coburg reichte.

 

 

2 Gedanken zu “Alberich

Hinterlasse einen Kommentar