Radio Reis

Gehörlosigkeit ist nicht nur Spaß und Abenteuer. Nein, manchmal fühle ich mich auch wirklich behindert und zurück gesetzt. Ich kann bin beispielsweise immer der Letzte, der die wirklich wichtigen Dinge im Leben erfährt. Weil ich das Lokalradio in Coburg nicht hören kann. 😦

Lapis hört Radio. Immer. Sobald sie unsere Küche betritt, zack, schaltet sie das Radio ein. Und macht es eigentlich auch nicht wieder aus. Nach einigen kleinen Scharmützeln lasse ich es, mit ihr über Energiesparen und Unnötigkeit eines permanent laufenden Radios zu diskutieren. Erstens ist das so sinnvoll wie mit einem Kettenraucher über das Rauchverbot in Gaststätten zu reden. Zweitens hat sie die lästige Angewohnheit, dann meinen PC aufs Tapet zu bringen, was mich natürlich immer kleinlaut werden lässt.

Also läuft das Radio, wenn sie hier ist. Zumindest morgens. Oder wenn sie in der Küche kocht. Oder wir was spielen. Oder Mittwochs. Da ich natürlich nichts außer einem Kratzen und Summen mitbekomme, ist mir natürlich egal, was sie hört. Manchmal allerdings zweifele ich ein wenig. Zur Erklärung. Sie hört immer „Radio1“, Coburger Lokalradio.

Obwohl ich früher mal gedacht habe, dass Lokalzeitungen banal, schlecht gemacht und von Amateuren geschrieben sind, gebe ich gerne zu, dass ich mich geirrt habe. Nicht zuletzt, weil ich auch mal für eine Lokalzeitung geschrieben habe. Für das Lokalradio, zumindest hier in Coburg, scheint das jedoch zuzutreffen.

Manchmal erhellt mich Lapis über das, was sie so hört. Das sind dann Momente, wo ich denke, Rundfunkgebühren können nicht nur schlecht sein. Ok, das habe ich auch damals beim Hören von „Radio FFN“, „FFH“, „FFA“ oder „FFB“ gedacht. Oder bei jedem privaten Fernsehprogramm, inklusive „Tier TV“, „Astro TV“, oder „Sat1“.

Beispiel: Vor ein oder zwei Wochen hat in Coburg ein neuer Markt einer großen Baumartkette aufgemacht („Alles in …“). Wow, was für eine Neuigkeit. Lapis erzählte amüsiert, dass sie auf Radio1 eine Sondersendung zur Eröffnung des Marktes bringen würden. Das führte meinen inneren Journalisten zu einer Spekulation, wie man wohl die 2-3 Minuten voll bekommt, die so eine Meldung hat, wenn der Sponsor großzügiger ist, als die journalistische Ethik. Als ich ihr meine Überlegungen mitteilte, lachte Lapis und und sagte zu meiner Erschütterung, dass die Sondersendung VIER STUNDEN dauern würde. Selbst, wenn man die übermäßige Einspielung von Hits aus den 70ern und 80ern abzieht, macht das bestimmt summa summarum einen redaktionellen Aufwand von bestimmt 20-30 Minuten aus. Und das bei einem Sender, dessen Nachrichten zu vollen Stunde man verpasst, wenn man sich etwas ausgedehnter die Nase putzt.

Was haben die berichtet? „Und jetzt gehe ich an dem Regal mit Schrauben und Nägeln vorbei und, ja, es sind Schrauben und Nägel drin. Wunderbar. Ein wenig bekannter Fakt über Nägel ist, dass sie sie ältesten bekannten Verbindungselemente sind. Es gibt Drahtstift, Hakennagel, Holznagel …“ Oder „Neben mir steht Herr Müller*, der Leiter des Marktes. Er ist schon ganz aufgeregt, denn in wenigen Minuten wird die Bratwurstkönigin von Coburg, Meike Mikkisch* den Hauptpreis der Eröffnungstombola ziehen: Eine Schwarz&Schrauber Schlagbohrmaschine! Ja, ich sehe Unruhe in den Reihen der vielen vielen vielen Besucher. Hauptsächlich Männer natürlich aber auch die eine oder andere Vertreterin des schönen Geschlechtes… Wie ist ihr Name?“ „Lapis.“ Au!

Heute morgen war es wieder soweit, dass Radio1, über Lapis, etwas Nennenswertes zu meinem Leben beigetragen hat: Michael Schumacher war in Coburg! DER Michael Schumacher! Offensichtlich war er bei einer Züchterin in der Gegend und hat sich da einen Hund ausgesucht. WAHNSINN! Es gibt sogar ein YouTube Video. Das sind Momente, in denen ich bedauere, Radio1 nicht hören zu können. Wenn Lapis nicht da gewesen wäre, hätte ich das nicht mitbekommen. Mal sehen, vielleicht bringen sie was auf CNN.

Tatsache!

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*Namen sind frei erfunden.

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