Scheibenkleister

Gähn. Hm? Was Miszelle? Ah, ja. Also. Miszelle, Miszelle. Schnarch Vielleicht schreibe ich mal darüber, warum Lesen schlecht für die Gesundheit sein kann. Oder über Lesesucht. Die „Anonymen Bibliophilen“. Oh Mann, ich kann kaum die Augen aufhalten. Ich musste (mit der Betonung auf „musste“) heute Nacht bis drei Uhr lesen. Gestern bekam ich endlich den lang erwarteten neuen Terry Pratchett „Thud!“ (dt: „Klonk!“). Eigentlich ist das ein Anlass für eine neue „paradoxe Intervention“. Voilá: Skeltems paradoxe Interventionen Part Quattre.

Der neue Pratchett ist natürlich großartig. Es ist wieder ein „Vimes“-Roman („Mumm“). Und es geht um, grob gesagt, ethnische Spannungen zwischen Trollen und Zwergen in Ankh-Morpork. Er ist wieder witzig, aber mit ernsten Untertönen. Satirisch mit einer spannenden Krimi-Handlung. Die Figuren, die wir alle kenne und lieben sind in Hochform und mit der Vampirin „Sally“ bekommt die Stadtwache einen interessanten Zuwachs, bei dem sich Anguas Haare sträuben. Und das sind eine Menge, wie ihr ja wisst. Ich habe den Roman noch nicht durch, aber ich denke, er wird fast so gut wie „Men at Arms“ (Helle Barden) oder „Night Watch“ (Nachtwächter), meine persönlichen „Best of Scheibenwelt“-Romane.

Aber das wäre ja keine paradoxe Intervention, wenn ich hier bloß sagen würde, dass Terry Pratchett wieder mal einen tollen Scheibenwelt-Roman abgeliefert hat, oder? Fast alle Scheibenwelt-Romane sind großartig. Fast, sage ich, denn ich will hier mal Romane vorstellen, die ich nicht so gut fand. Und einen, der wirklich ziemlich schlecht ist.

Eigentlich gibt es eine Reihe von Scheibenwelt-Romanen, die mich nicht in Begeisterungsstürme haben ausbrechen lassen. Der Fairness halber lasse ich mal die ersten beiden Bände außen vor, da Herrn Pratchett gestattet sein muss, seinen Stil zu finden und außerdem kamen so herrliche Figuren wie Rincewind, Truhe, Zweiblum und der TOD darin vor, also muss man sie eigentlich auch lieben. Bei „Small Gods“ (Einfach Göttlich) beispielsweise fand ich, dass das Buch ein paar Längen hatte, aber insgesamt OK war. Später sorgen die Onmier, vor allem Constable „Visit-the -Infidels-with-Explanatory-Pamphlets“, für mehr als ein Grinsen. Dann kommen drei Romane, bei denen ich eine gewisse Müdigkeit zu spüren scheine. „Maskerade“ (Mummenschanz) war eine Adaption des „Phantoms der Oper“ mit Hexen. Auch wenn die Hexen zu meinen Lieblingsfiguren gehören, fand ich den Roman doch eher durchschnittlich. Bei „Hogfather“ (Schweinsgalopp) muss ich gestehen, dass ich ihn beim ersten Mal nicht richtig gelesen habe. Das Problem bei ihm ist, dass er sehr viele Ebenen hat, die sich erst erschließen, wenn man ein bisschen bewandert ist in Mythologie. Vielleicht habe ich ihn das erste Mal zu oberflächlich gelesen. „Jingo“ (Fliegende Fetzen) wiederum schluckt schwer an seinem Anliegen, nämlich dumpfen Hurra-Patriotismus (engl.: Jingoism) als genau das zu entlarven: dumpf und dumm. An sich ein löbliches Anliegen, das aber dazu führt, dass der Roman untypisch unsubtil ist.

Die größte Enttäuschung war für mich aber „The Last Continent“ (Heiße Hüpfer). Wir erinnern uns, dass Rincewind am Ende von „Interesting Times“ ( Einfach Zauberhaft) durch einen magischen Unfall nach „Fourecks“ oder XXXX, den letzten Kontinent der Scheibenwelt verfrachtet wurde. Der Roman beginnt damit, dass der Bibliothekar krank wird. Die Zauberer beschließen, dass es an seiner Form liegt und wollen den Orang-Utan zurück in einen Menschen verwandeln. Das funktioniert aber nur, wenn sie seinen Namen kennen. Der Bibliothekar hat aber alle Unterlagen über seinen richtigen Namen vernichtet und einzig der Hilfsbibliothekar Rincewind scheint ihn zu kennen. Also beschließen die Zauberer, Rincewind nach Ankh-Morpork zurück zu holen. Im Laufe des Rituals geht (mal wieder!) etwas schief und die Seniorzauberer finden sich auf einer paradiesischen Insel wieder. Mit einer Frau!

So weit, so interessant. Aber der Roman ist in weiten Teilen ein Abfeuern von Vorurteilen über Australien, dass eines Pratchetts eigentlich nicht würdig ist. Ich habe stellenweise gedacht, dass er einen seiner Söhne einarbeitet, so platt sind einige Stellen. XXXX ist vom Rest der Scheibenwelt abgeschnitten und man erreicht zwar die Küste, kommt aber nicht mehr weg. Das liegt daran, dass der Kontinent nicht fertig gestellt wurde bei der Schöpfung. Jetzt wird er von braunen Menschen (Aborigenes) und weißen Menschen (Schiffbrüchigen) bewohnt. Natürlich trinken die „Australier“ andauernd Bier, obwohl es in XXXX keine Niederschläge gibt, sind Xenophob und hassen die Abos. Die wiederum sind spirituell und yadda yadda yadda. Rincewind und Truhe wandern durch den unfertigen Kontinent und Rincewinde erfindet nebenbei den Hut mit Korken, um Mücken zu vertreiben, „Marmite“ (ein sehr beliebter Brotaufstrich Down Under, der schmeckt wie Maggi-Würze auf Brot) und rettet natürlich die Zauberer, stellt den Kontinent fertig und so weiter.

Scheibenwelt-Romane sind großartig. Ich liebe sie. Ich liebe die Figuren und die Ideen. Außerdem sollte jeder Mensch, der einen Funken von Spaß an phantastischer Literatur hat und nie einen gelesen hat, in ein Zimmer mit „Men at Arms“ gesperrt werden. Aber vielleicht bin ich auch nur etwas radikal. Trotzdem kann ich nur eisenharten Sammlern zu „Last Continent“ raten. So und jetzt entschuldigt mich, ich habe, äh, Dinge zu erledigen.

Hinterlasse einen Kommentar