27.3.2011: Wie durch Milch :(


Moin Alle.

Hier sollte eigentlich schon seit Tagen „Cave Skeltem“, eine allgemeine und besondere Warnung und Bedienungsanleitung für Miszellen Leserinnen und Leser auftauchen. Am Konjunktiv kann man sehen, dass der Gott der Blogger wieder mal andere Pläne mit mir hatte.

Während ich mit mir und der Miszelle und meinem inneren Schweinehund einen Ringkampf hatte (die Miszelle wurde abgeklatscht von „Mr. Zusätzliche Informationen“, während der Schweinehund das Prokrast-Torpedo abfeuerte, die Sau),  ging ich aus Spaß ins Krankenhaus, um mir bestätigen zu lassen, dass momentan alles „soweit in Ordnung“ sei.

Wurde bestätigt und war es dann natürlich nicht mehr. Ohne auf Spezifisches einzugehen, kann ich nur schreiben, dass schreiben gerade nicht so einfach ist.

Ich sollte nicht mehr in die Klinik gehen, vielleicht bleibe ich dann gesünder 😦

Ich melde mich,
Skeltem

Feels Like Nineteen Eighty Six


Die Katastrophe in Japan hat mich ebenso getroffen wie fassungslos gemacht. Ich wünschte, ich könnte etwas tun, als mir immer neue Hiobsbotschaften anzusehen. Meine Gedanken sind bei den Opfern des Erdbebens und des Tsunamis.

Aus aktuellen und vielleicht nachvollziehbaren Gründen lege ich die für heute geplante Miszelle „’Caveat‘ heißt ‚Hüte dich’“ nach hinten und schreibe etwas über das Jahr 1986. Ja, vor 25 Jahren „war Tschernobyl“.

Wenn ich zurück denke, war 1986 vielleicht das glücklichste Jahr meines Lebens, zumindest das unbeschwerteste. Ich war 17, in der Oberstufe und zum ersten Mal in meinem Leben ließ ich „so richtig die Sau raus“. Ich hörte laute „New Wave“ Musik (zum Leid meiner Großeltern) und verbrachte viele Nächte in noch lauteren, düsteren Discos. Trank zu viel, rauchte zu viel und malte schwarze Ränder um meine Augen. Mit anderen Worten: ich war normal. Mein Leben drehte sich vor allem um Schule, Mädchen und die „Sisters of Mercy“. Ich war jung, einigermaßen gesund, ich hatte Freunde (und Freundinnen!), die Welt war mein Schalentier und ich ihre schwarze Perle. Ich war das totale Arschloch. Ich war ein Teenager.

Was ist sonst noch hängen geblieben? Tschernobyl. Was damals vorfiel, kann man in der Wikipedia nachlesen oder, wenn man sich wirklich interessiert, in den Archiven zusammentragen. Wie wir uns fühlten, kann man da nicht sehen. Warum hat ausgerechnet dieser „Super GAU“ („Größerer Größtmöglicher Anzunehmender Unfall“) die Wolken aus Hasch und Hormonen durchdrungen, mit denen in meinem persönlichen Gedächtnis 1986 eingenebelt ist?

Erst mal war ich ein Jahr vorher in der Nähe von Tschernobyl. Im Zuge einer Studienreise in die UdSSR war ich auch ein paar Tage in der Ukraine. Die Fernsehbilder, die Männer in Strahlenschutzanzügen in den Straßen von Kiew zeigten, erinnerten mich daran, dass ich ein Jahr zuvor selber durch diese Straßen gegangen (oder gegängelt worden) war. Ich fragte mich, was aus dem netten Reiseführer geworden ist oder dem Kellner, der illegal meine Mark in Rubel getauscht hatte, die ich bis zum Ende der Reise nicht hatte ausgeben können.

Dann arbeitete mein Großvater, vermutlich um für meinen Tabak- und Alkoholkonsum aufzukommen, neben seiner eigentlichen Arbeit auf der Zeche auch noch morgens auf dem Großmarkt. Und dort spielten sich dann seinen Berichten nach wirklich Szenen ab wie aus einem Katastrophenthriller. Jede Gemüsekiste aus dem Osten und Norden (die radioaktive Wolke war nach Skandinavien gezogen) musste mit dem Geigerzähler untersucht werden. Pilze, die wohl radioaktives Cäsium besonders gut speichern, wurden gleich vernichtet.

Man kann auch die Informationssituation nicht mit heute vergleichen. Das Internet gab es natürlich noch nicht (in der heutigen Form) und unsere Informationen kamen aus dem Fernseher, dem Radio und dem Hörensagen. Die Ukraine war zudem damals noch Teil der Soviet Union und trotz „Perestroika“ wurde vieles gefiltert, was nach außen drang. Dafür lernte wir viele neue Wörter. Wir wussten plötzlich, dass „Becquerel“ keine Diätmargarine ist, sondern eine Einheit, die radioaktiven Zerfall angibt. Millirem, so lernten wir, schmiert man sich nicht aufs Brötchen, sondern versuchte man zu meiden. Möglichst weit weg von Tschernobyl zum Beispiel.

Es herrschten Angst und Verunsicherung. Gerade weil die Gefahr konkret, aber auch irgendwie ungreifbar war (Strahlen kann man nicht sehen, hören, schmecken, riechen), löste der GAU teils unsinnige Reaktionen aus. Kinder durften nicht im Regen spielen, der Import von Elchfleisch aus Skandinavien wurde verboten.

Gegen Angst als Motivation habe ich hier immer schon angeschrieben.Da kann nichts Gutes bei rum kommen. Aber spätestens seit Tschernobyl hat zumindest Europa, oder besser der nördliche Teil Europas, begriffen, dass die Folgen eines Unfalles bei der Kernenergie kein schlichtes „Oops“ sind. Staaten haben reagiert, Kernenergie wurde als Auslaufmodell behandelt. Aber plötzlich wird das Öl knapp, das Klima ächzt unter dem Kohlendioxid und AKWs sind wieder sexy. Japan zeigt leider auf tragische Weise, dass Atomkraft nicht sexy, sondern hochgefährlich ist. Angst sollte keine Motivation sein, aus dieser Energieform möglichst schnell auszusteigen und zwar nicht nur in Deutschland sondern weltweit. Strahlen machen nicht vor Grenzen halt. Meiner Meinung nach gebietet das die Vernunft.

Fukushima sollte endgültig zeigen, dass Murphys Gesetz im Zusammenhang mit der Kernenergie kein Spaß ist und dass, wenn etwas schief gehen kann, es schief gehen wird. Wenn Menschen ihre Finger im Spiel haben, stehen die Chancen dafür gut.

9.3.2011: Komm‘ ich getz ins Fernsehen?


NEIN!  (Aber in die Zeitung)

Suchbild. Wo ist ist der Miszellator?

Wo bin ich?
(c) Coburger Tageblatt 2011

Das war vor anderthalb Wochen bei der Coburger Probe für die große Menschenkette gegen den Ausstieg vom Atomausstieg an diesem Samstag. Weitere Infos

Es war arschkalt im Schatten und ich habe natürlich meine Handschuhe vergessen. Aber was macht man nicht alles, wenn einer Regierung ihre Vernunft beim Buckeln vor der Industrie irgendwie abhanden gekommen ist?

Wer mich findet, gewinnt 1 Internet 🙂

Ak – und andere Kulturationen


Im letzten Teil meines kleinen Kulturprogrammes habe ich festgestellt, dass wir alle Kinder der französischen Revolution sind. Irgendwie. Und wie diese Revolution in Terror, kleinen Kaisern und Russlandfeldzügen endete, stehen wir am Rande der größten Gefahr, der sich die Moderne in ihrer relativ kurzen Geschichte je gegenüber sah: Coca-Cola!

Aber der Reihe nach.

Kultur ist an und für sich unsichtbar. Wie ein Fisch wohl keine Vorstellung von Wasser hat, „schwimmen“ wir im Medium Kultur. Im Gegensatz zu unserem ichtyotiotischen Beispiel erzeugen wir aber Kultur, wo wir gehen und stehen und vor allem: kommunizieren. Wenn wir doch auf dem Trockenen sitzen ist das ein Schock. Ein Kulturschock.

Sichtbar wird die Kultur, wenn sie in den Kontakt mit einer anderen, fremden kommt. Wenn unsere Symbole nicht verstanden werden. Wenn unser Gegenüber die Pointe nicht kapiert, die Fernsehsendungen unserer Kindheit nicht kennt. Mit unserem Essen nichts anfangen kann, mit Mode oder unseren Vorstellungen von Partnerschaft, Moral oder guter Musik. Kurz: Welten prallen aufeinander.

Es ist fast unmöglich, heute nicht anderen Kulturen zu begegnen. In der modernen Welt schon gar nicht. Die Folge ist, dass das Eigene und das Fremde fast schmerzlich bewusst sind. Der Kontakt der Kulturen ist die Norm und also muss es, wie in einem Raum voller einander fremder Menschen, Strategien geben, wie man miteinander auskommt. Früher war das einfach. Da wurden fremde Kulturen entweder unterworfen und die Menschen assimiliert (oder abgeschlachtet). Oder man fand von alleine, dass die Leute aus X eigentlich viel cooler sind und deswegen wollte jeder aus X sein. In der Kulturwissenschaft nennt man das „Akkulturation“. Laut Wörterbuch der Völkerkunde ist das der Prozess, mit dem sich eine Kultur einer anderen, überlegen geglaubten, anpasst. Man kann Akkulturation in Deutschland wunderbar beobachten, bzw. hören. Z.B. bei der Deutschen Bahn: „Senk ju for trävelling“.

In der modernen Welt gilt es inzwischen als unfein, andere zu unterwerfen und zieht end – und fruchtlose UN-Resolutionen, sowie das ebenso plakative wie nutzlose Engagement alternder Künstler nach sich. Heute möchte man, zumindest im aufgeklärten Westen, integrieren. Zu wissenschaftlich: „inkulturieren“.

Wir stellen also den Fremden in unserem Haus nicht mehr vor die Wahl, entweder Schwein zu essen oder eins in die Fresse zu kriegen. Heute versuchen wir ihn von den Vorteilen, leckeren Schweinefleischs zu überzeugen. Natürlich kann er auch verhungern, seine Wahl.

Ungeschoren kommt niemand davon beim Kulturkontakt. Weder das Eigene noch das Fremde. Der Kontakt zu anderen Kulturen war schon immer ein Motor des Kulturwandels. Wie ich ja schon ausführte, verändert sich Kultur ständig. Aber Veränderung erzeugt Angst. Schon Plato träumte von seinem  idealen, weil ursprünglichen, Staat und die Aufklärung war bekanntermaßen auf der Suche nach dem „Urzustand“ des Menschen, weil jede Veränderung immer eine Veränderung zum Schlechten sei. Und wann hat sich die Welt, die Kultur, je schneller verändert als, sagen wir, in den letzten 20 Jahren? Die gravierenden Veränderungen seit dem Ende des Kalten Krieges muss ich wohl nicht im Einzelnen ausführen. Da würden auch 475 Seiten und 1200 Fußnoten nicht ausreichen. Aber die gravierendsten sind natürlich in zwei Symbolen zu finden, die alles überstrahlen mit ihrem Angstpotenzial: Globalisierung und 9/11.

Wird fortgesetzt …